Jürgen Gohde, ehemaliger Chef des Diakonischen Werkes und heutiger Vorsitzender des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA), hat lange mit sich gerungen - und nun doch für eine Überraschung gesorgt. Der evangelische Theologe, der sich seit Jahren so vehement um die bessere Versorgung von Pflegebedürftigen bemüht, ist am Ende seiner Geduld: Nach einer Zeit des Abwartens habe er nun seine Entscheidung getroffen, sagte Gohde.
Seine Begründung muss Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) treffen wie ein Peitschenschlag: Er habe nicht den Eindruck gewinnen können, dass die Koalition die geplante Besserstellung der Demenzkranken mit dem notwendigen Nachdruck verfolge. Es fehle die sichere finanzielle Perspektive und der notwendige politische Wille, die Pflegereform wirklich umzusetzen.
Gewolltes Konzept wegen Regierungswechsel nicht umgesetzt
Das Bundeskabinett hatte jüngst auf Vorschlag Bahrs beschlossen, die Pflegebeiträge zum Jahr 2013 um 0,1 Prozentpunkt zu erhöhen, was etwa eine Milliarde Euro Mehreinnahmen pro Jahr in die Kasse der Pflegeversicherung spülen würde. Im kommenden Jahr sollten im Vorgriff auf die Reform schon die Leistungen für Demenzkranke verbessert werden. Details und die Finanzierung blieben aber unklar. Noch im November hatte Gohde deshalb offengelassen, ob er die schwarz-gelbe Koalition bei der Umsetzung der Pflegereform unterstützen wird. "Das hängt von den Rahmenbedingungen ab, die jetzt zeitnah geklärt werden müssen."
Dass die politischen Mühlen, zumal in Sachen Pflege, nur langsam mahlen, musste der streitbare Gohde wiederholt erfahren. Jetzt sollte er einen Beirat aus Wissenschaftlern, Fachleuten und Branchenvertretern wieder einberufen, mit dem er bereits 2009 im Auftrag der damaligen schwarz-roten Regierung einen Plan für eine nachhaltige Pflegereform vorgelegt hatte. Das von allen Seiten getragene Konzept war wegen des Regierungswechsels nicht umgesetzt worden.
Gohde löste 2006 einen Sturm der Entrüstung aus
Der Beirat mit Gohde an der Spitze sollte bis zur nächsten Bundestagswahl 2013 die Umsetzung der Reform planen und berechnen. Bedingung dafür ist aber eine politische Vorgabe, um wie viel die Ausgaben der Pflegeversicherung steigen dürfen. Die gibt es bisher nicht.
Als Präsident des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) war Gohde (Bild links, Foto: epd-bild/Anke Jacob) im Juni 2006 zurückgetreten, nachdem er einen Sturm der Entrüstung in den eigenen Reihen ausgelöst hatte. Hintergrund des Rückzugs nach zwölfjähriger Amtszeit war eine zuvor von Gohde mitunterzeichnete "persönliche Erklärung". Darin hatte er sich gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden, jedoch ohne sich verbandsintern abgestimmt zu haben, für Hartz-IV-Kürzungen ausgesprochen. Zahlreiche Diakonie-Landesverbände hatten mit Empörung auf Gohdes Position reagiert. Auch im Dachverband sah man keine Grundlage mehr für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Außerhalb der Diakonie war der gut vernetzte Theologe in sozialen Organisationen aktiv, so etwa im Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge und in der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Auch stand Gohde mehrfach an der Spitze der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege. Seit Februar 2007 steht Gohde, der 1948 in Rotenburg/Wümme geboren wurde, dem Kuratorium Deutsche Altershilfe vor. Von dort werden weiter mahnende Worte zu hören sein - sein Lebensthema ist die Pflege.