Wort des Jahres: "Stresstest" beerbt "Wutbürger"
Sieg für einen Favoriten: Während 2010 der eher unbekannte Begriff "Wutbürger" Wort des Jahres wurde, wählten die Sprachwissenschaftler in diesem Jahr eine allseits präsente Vokabel auf Platz eins: den "Stresstest".

Das Wort des Jahres lautet "Stresstest". Der ursprünglich aus der Humanmedizin stammende Begriff sei im Laufe des Jahres auffallend oft im Zusammenhang mit Banken, Atomkraftwerken oder dem Bahnhofsprojekt "Stuttgart 21" verwendet worden, sagte Armin Burkhardt, Vorsitzender der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS), am Freitag in Wiesbaden zur Begründung. Dadurch habe das Wort politische, wirtschaftliche und gesamtgesellschaftliche Relevanz erhalten.

Burkhardt betonte: "Stresstest ist inzwischen auch in unsere Alltagssprache übergegangen." Das Wort sei auch bei den Einsendungen am häufigsten genannt worden. Menschen sagten unter Druck, dass sie "gerade einem Stresstest unterzogen" würden.

Den Zeitgeist für die Zukunft festhalten: "Hebeln" schafft den zweiten Platz

Auf den zweiten Platz wählten die Sprachwissenschaftler den Finanzbegriff "hebeln", der für die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms steht. Der Begriff aus der Allgemeinsprache spiegele das Bemühen um die finanzielle Rettung der Eurostaaten wider, sagte Burkhardt. Durch dieses Hebeln werde aber tatsächlich weniger Kraft, sprich Kapital, benötigt als etwa beim Akt des Stemmens.

Auf den dritten Platz kam die Wortschöpfung "Arabellion", die die Aufstände in mehreren arabischen Ländern 2011 zusammenfasst. Für die Umwälzungen in den Staaten wären auch die Begriffe "Arabischer Frühling" oder "Jasminrevolution" infrage gekommen, sagte Burkhardt. "Wir haben uns aber für Arabellion entschieden, weil es die prägnanteste Formel ist", so der Vorsitzende. Auf Platz vier folgt "Merkozy" für das gemeinsame Auftreten der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy für eine Reform der Europäischen Union. Auf den fünften Platz kam "Fukushima" als Ort der japanischen Atomreaktorkatastrophe und Symbol für die Energiewende der Bundesregierung.

"guttenbergen" wird auch in Zukunft weiter Karriere machen

Es folgen die Begriffe "Burnout" (Platz sechs) sowie "guttenbergen" (Platz sieben) als Synonym für abschreiben und plagiieren. Der ehemalige Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) hatte weite Teile seine Doktorarbeit abgeschrieben, wie sich in diesem Jahr herausstellte. Burkhardt sagte mit einem leichten Schmunzeln, dass "guttenbergen" als Begriff noch weiter Karriere machen und in Zukunft an Universitäten als gebräuchliches Verb für abkupfern verwendet werden könnte.

Die Sprachwissenschaftler setzten auf Position acht "Killersprossen" für die Aufregung um den Darmkeim Ehec sowie auf Rang neun den Satz: "Ab jetzt wird geliefert." Damit habe der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler ein neues Verständnis von Politik offenbart, nämlich zeitnah konkrete Lösungen zu Problemen vorzulegen. Abschließend fiel die Wahl auf "Wir sind 99 Prozent" (Rang zehn). Damit werde das Motto der weltweit auftretenden Occcupy-Bewegung thematisiert, die auf die äußerst ungleiche Verteilung von Macht und Geld aufmerksam mache.

Erstes "Wort des Jahres" lautete "aufmüpfig"

Eine Jury aus fünf Vorstandsmitgliedern der Sprachgesellschaft sowie weiteren Wissenschaftlern hat die Begriffe aus 3.000 Belegen und 400 Einsendungen ausgewählt. Seit 1971 wählt die Gesellschaft als "Wörter des Jahres" Ausdrücke, die die öffentliche Diskussion des betreffenden Jahres besonders bestimmt haben. Das "Unwort des Jahres" wird von einem anderen Gremium bestimmt und im Januar bekanntgegeben. Das Wort des Jahres 2010 war "Wutbürger". 2009 wurde "Abwrackprämie" bestimmt, 2008 "Finanzkrise" und im Jahr 2007 "Klimakatastrophe". Das erste "Wort des Jahres" wurde 1971 gewählt: Es lautete "aufmüpfig".

epd