Die USA diskutieren über Gebete am Spielfeldrand
In den USA gibt es eine neue Wortschöpfung: tebowing. Das heißt: zwischendurch kurz niederknien und beten. Genau wie Football-Star Tim Tebow am Spielfeldrand. Evangelikale sind begeistert vom frommen Footballer, anderen geht er auf die Nerven.
15.12.2011
Von Konrad Ege

Tim Tebow stellt seinen Glauben jeden Sonntag zur Schau. Dann nämlich, wenn der US-Football-Star mit seinen Denver Broncos aufläuft. Die Broncos gewinnen zurzeit ein Spiel nach dem anderen - vor allem dank Tebow. Nach besonders starken Spielzügen hält der Quarterback gerne inne. Ein Knie auf dem Rasen, den Kopf stark gebeugt. Tim Tebow betet. Seine Facebook-Seite ist voll von Bibelzitaten.

Tebow hat in den USA eine bemerkenswerte Diskussion angestoßen: Ist es in Ordnung, dass er seinen Glauben so demonstrativ zeigt? Tebow sei der "am meisten polarisierende Footballspieler" der Nation, heißt es im Titel eines wohlwollenden Buches über den 24-Jährigen ("The Tebow Mystique: The Faith and Fans of Football's Most Polarizing Player").

"Tebowing" ("bow" bedeutet sich verbeugen) ist zu einer Redewendung geworden: Dabei unterbricht man seine Handlung, um kurz hinzuknieen. Der Fernsehsender Comedy Central hat eine Spott-Collage darüber zusammengestellt, wie es wäre, wenn Menschen im Alltagsleben dieser Praxis folgen würden.

Ein Lichtblick in der Sportwelt?

Manchen Football-Fans in den USA geht Tebow mit seinem demonstrativen Beten und Bibel-Zitieren auf die Nerven. Für viele ist der fromme Star der Denver Broncos aber ein Lichtblick. In der Welt des US-Profi-Football geht es sonst viel ums Geld, und Spieler geraten wegen unsportlichen Verhaltens auf dem Rasen und im Privatleben in die Schlagzeilen. Im Jahr 2010 wurden mehr als 50 Spieler der nationalen Football-Liga wegen Trunkenheit, Drogenkonsums oder Körperverletzung festgenommen.

Tebows Quarterback-Vorgänger Jake Plummer lobte den Neuen in einem Rundfunkinterview. Er würde Tebow aber noch mehr schätzen, wenn dieser nicht ständig seinen Glauben vorführen würde, fügte er hinzu. Denn man wisse doch längst, "dass Tebow Jesus Christus liebt."

Viele Evangelikale allerdings sind begeistert von diesem bekennenden Christen, der aussieht wie ein Model, charmant ist und gewinnend lächeln kann. Der sich auch mal selber auf den Arm nimmt und bei seinen Mitspielern offenbar beliebt ist wegen seines Draufgängertums.

Christentum und Profisport

"In sechs Tagen hat Gott die Welt erschaffen, am siebten erschuf er Tim Tebow", heißt es auf dem Poster eines Denver-Bronco-Fans. In Denver gibt es bereits Football-Trikots zu kaufen, die Tebows Nummer 15 und die Aufschrift: "Jesus" tragen.

Die konservative Tageszeitung "Washington Times" machte Tebow gar zur Kulturkriegs-Ikone. Tebow verkörpere alles, "was die Liberalen hassen". Auf einer Pressekonferenz sagte Tebow etwa, für ihn gebe es keinen Sex vor der Ehe.

Evangelikal geprägtes Christentum und Profisport gehen in den USA öfter gemeinsame Wege. Der ehemalige Football-Coach Bill McCartney ist Gründer und Chef der evangelikalen Männer-Organisation "Promise Keepers". Die Mannschaften der nationalen Footballliga haben Kaplane zur Betreuung der Spieler. Etwa die Hälfte der Spieler sehen sich vermutlich als Christen, schätzt Football-Analyst Tim Hasselbeck vom Sportsender ESPN. Gelegentlich zeigen Spieler nach einer gelungenen Aktion mit dem Zeigefinger Richtung Himmel.

Aber niemand rückt den Glauben so in den Vordergrund wie Tim Tebow. Für ihn sei das selbstverständlich, erläuterte er dem Sender ESPN. Wenn ein Ehemann seine Frau liebe, sage er ja auch nicht nur einmal "Ich liebe Dich". Und bei ihm und Jesus sei das ähnlich.

Missionarischer Familienhintergrund

Tebows Eltern waren Missionare auf den Philippinen. Seine Mutter Pam erzählt, sie sei während der Schwangerschaft schwer krank gewesen, habe aber die vom Arzt empfohlene Abtreibung verweigert. Aus dieser Begebenheit wurde beim Football-Superbowl von 2010 ein Fernseh-Werbespot gegen Abtreibung.

Tebow lässt gegenwärtig mit Hilfe des christlichen Verbandes CURE International in Davao City auf den Philippinen ein Kinderkrankenhaus bauen. Ob er als Football-Spieler großem Stress ausgesetzt sei, wurde Tebow 2009 in einem Fernsehinterview gefragt. Nein, sagte er, Stress sei etwas anderes, das wisse er als jemand, der in einem armen Land aufgewachsen sei. Stress sei, wenn man nicht wisse, woher die nächste Mahlzeit kommt.

Die Denver Broncos sind in dieser Saison vorne mit dabei. Manchmal spielt Quarterback Tebow brilliant. Gelegentlich häufen sich die Fehler. Schon einmal gab es in den USA einen "superevangelikalen" Quarterback, Kurt Warner, der 2000 mit den St. Louis Rams den Superbowl gewann. Zu Pressekonferenzen kam Warner oft mit der Bibel. Warner hat seinen Freund Tebow Ende November gemahnt, er solle vielleicht nicht so viel reden über seinen Glauben und eher sein Leben sprechen lassen. Tebow versucht anscheinend beides.

epd