Innenminister für Aufnahme von Flüchtlingen
Deutschland wird sich ab 2012 erstmals regulär an einer Aufnahme von Flüchtlingen in Zusammenarbeit mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) beteiligen. Die Länderinnenminister beschlossen am Freitag in Wiesbaden, in den nächsten drei Jahren jeweils 300 besonders schutzbedürftige Flüchtlinge über ein "Resettlement-Programm" aufzunehmen. Viele von ihnen säßen in nordafrikanischen und nahöstlichen Lagern, sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) nach der Konferenz der Innenminister. Das UNHCR sprach von einem Durchbruch.

Beim Resettlement-Verfahren sucht das UNHCR Aufnahmeländer für Flüchtlinge, die bereits aus ihrer Heimat in anderes Land geflohen sind, dort aber unter oft menschenunwürdigen Bedingungen leben müssen. Deutschland hat in den vergangenen zwei Jahren bereits 2.500 Iraker aus Flüchtlingslagern außerhalb des individuellen Asylverfahrens aufgenommen.

"Überfälliger Schritt"

Die Aufnahme der Flüchtlinge sei ein erster, ausbaufähiger Schritt, sagte der Bremer Innensenator und Sprecher der SPD-geführten Länder, Ulrich Mäurer. Der UNHCR-Vertreter für Deutschland, Michael Lindenbauer, sprach von einem wichtigen Signal für den europäischen und internationalen Flüchtlingsschutz. Er sei zuversichtlich, dass sich das Programm in den nächsten drei Jahren bewähren werde. "Ich hoffe, die Zahl der Aufnahmeplätze kann spätestens nach drei Jahren dann auch erhöht werden." Weltweit werden vom UNHCR in Zusammenarbeit mit verschiedenen Staaten, vor allem den USA, rund 70.000 Flüchtlinge pro Jahr aus Erstzufluchtsländern in Drittstaaten neuangesiedelt.

[listbox:title=Erklärung des Auslandsbischof der EKD["Martin Schindehütte: Leben in Sicherheit ist ein Menschenrecht"]]

Der Generalsekretär von Amnesty International, Wolfgang Grenz, begrüßte das Versprechen der Innenminister und sprach von einem überfälligen Schritt. "Wir werden darauf drängen, dass die angekündigte Aufnahme in ein dauerhaftes Resettlement-Programm mündet, wie es viele andere Staaten bereits haben, und die Zahl der Plätze erhöht wird", sagte Grenz.

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl nannte die angekündigte Aufnahmezahl dürftig. Allein für 2012 benötige das UNHCR weltweit 172.000 Resettlementplätze. Besonders dringend müsse das Problem der subsaharischen Flüchtlinge gelöst werden.

Aufenthaltsrecht bestätigt

Außerdem einigten sich die Länder darauf, das Bleiberecht für Zuwanderer nicht Ende des Jahres auslaufen zu lassen, sondern die Gültigkeit aufrechtzuerhalten. Das Bleiberecht war 2007 für Zuwanderer erlassen worden, die seit mindestens acht Jahren in Deutschland lebten. Hilfsorganisationen hatten befürchtet, dass Tausenden von Flüchtlingen Ende des Jahres der Rückfall in kurzfristige "Duldungen" drohte.

"Wer einen Aufenthaltstitel hat, soll ihn behalten, wenn er sich bemüht, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten", sagte Mäurer. Die SPD-regierten Länder wollten darüber hinaus eine Bundesratsinitiative für ein Bleiberecht starten, das unabhängig von einem Einreise-Stichtag gilt, kündigte der Bremer Innensenator an. Vielleicht sei auch ein Zusammengehen mit einer ähnlichen Initiative von Schleswig-Holstein möglich.

Mit der Einführung des Bleiberechts 2007 sollte das Problem der "Kettenduldungen" beseitigt werden, dass Zuwanderer sich von einer kurzfristigen "Duldung" zur nächsten ohne längerfristige Perspektive hangeln müssen. Da jedoch weiterhin Zuwanderer nach Deutschland kommen, die nur kurzfristige Duldungen erhalten, aber das Land nicht wieder verlassen können, bestehen die "Kettenduldungen" weiterhin. Dieses Problem sei nicht auf der Innenministerkonferenz behandelt worden, sagte Mäurer. Pro Asyl sprach von einer Hängepartie, die endlich beendet werden müsse.

"Bedrohung durch Islamisten"

Weitere Diskussionspunkte der Innenministerkonferenz:

NPD-Verbot: "Wir streben ein Verbot der NPD an", sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Dazu werde die schon bestehende Arbeitsgruppe von Bund und Ländern erweitert. Sie soll Kriterien für ein aussichtsreiches Verbotsverfahren aufstellen und Material sammeln. 2003 hatten das Bundesverfassungsgericht einen ersten Verbotsantrag aus formalen Gründen abgewiesen, weil der Einfluss von V-Leuten des Verfassungsschutzes in der NPD-Führung unklar war. V-Leute blieben aber wichtig, sagten die Minister.

Kampf gegen den Rechtsextremismus: Bund und Länder wollen ein Gemeines Abwehrzentrum gegen rechte Extremisten einrichten. Alle Daten zu Neonazis sollen in einer gemeinsamen Datei zusammengeführt werden. Nach Friedrichs Vorstellungen sollen dort nicht nur gewalttätige Rechtsextremisten gespeichert werden, sondern auch diejenigen, die bislang nur als gewaltbereit aufgefallen sind. Sie seien häufig die Rädelsführer bei Straftaten.

Islamistischer Terror: Die IMK schätzt islamistische Terroristen weiter als große Bedrohung für Deutschland ein. Die Abwehrmaßnahmen sollen künftig in einer "Nationalen Anti-Terror-Strategie" noch besser verzahnt werden, Einzelheiten wurden aber nicht genannt. Das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum soll gestärkt werden.

Vorschläge vom Bund "untauglich"

Vorratsdatenspeicherung: EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström verdeutlichte, dass Deutschland nach dem 27. Dezember Strafe zahlen muss, wenn es keine Speicherung von Telefon- und Computerdaten einführt. Bei den Innenministern stieß sie auf offene Ohren. Bisherige Vorschläge von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) seien untauglich, um Straftaten wie die Neonazi-Morde aufzuklären.

Staatstrojaner: Beim Bundeskriminalamt (BKA) wird ein Kompetenzzentrum eingerichtet, das eine Software zur Überwachung von Computern entwickeln soll. "Wir haben allerdings eine lange Übergangszeit zu überbrücken", sagte Friedrich. Erster Schritt sei, einheitliche Regeln zum Einsatz vorhandener Software zu entwickeln, damit die Behörden handlungsfähig blieben. Das bisher verwendete, kommerziell entwickelte Überwachungsprogramm (Staatstrojaner) war wegen angeblicher Sicherheitslücken in die Kritik geraten.

Gewalt im Fußball: "Ein wichtiger Punkt ist, dass wir das Abbrennen von Pyros in unseren Stadien nicht haben wollen", sagte der hessische Innenminister Rhein. Vereine müssten das Fan-Feuerwerk konsequent unterbinden. Außerdem sollten Vereine unmittelbar nach Gewalttaten Stadionverbote verhängen. Die Innenminister wollen weiter auf Alkoholverbote bei der Anreise zu Fußballspielen hinwirken.

epd/dpa