Ruhig bleiben im Wettrüsten unterm Weihnachtsbaum
"Weihnachten wird unterm Baum entschieden" - um den Werbeslogan gibt es derzeit heiße Diskussionen. Auf Facebook haben schon über 15.000 Leute für die Veranstaltung "Weihachten wird in der Krippe entschieden" zugesagt. Aber ist der Werbespruch die Aufregung wirklich wert? Ursula Ott sagt: Nein.

Da werden bei Media Markt und seiner neuen Werbeagentur bestimmt die Korken geknallt haben. Yep! Hat funktioniert! Die evangelischen Christen im Land empören sich über die Werbekampagne "Weihnachten wird unterm Baum entschieden". Das "erhitzt die Gemüter", schreibt der epd. Und wieder mal wünsche ich mir als evangelische Christin: Keep cool. Es ist nur Werbung! Hallo, und ich finde sie tatsächlich witzig.

Weil sie kreativ spielt mit der Angst, die wir – vor allem wir Eltern - alle haben. Wird mich mein Kind noch lieben, auch wenn es am 24. nicht die Playstation unterm Baum findet? Oder wird es Onkel Tim cooler finden, weil der seine Abwesenheit als Patenonkel im Jahr 2011 mit dieser völlig überzogenen Wii zu kompensieren sucht? Wird das Kind – welch Horror – den geschiedenen Vater für immer an Platz eins im Kinderherz rücken? Weil der im Wettrüsten unterm Weihnachtsbaum gewonnen hat? Liebe evangelische Mitchristen, keiner von uns ist so ganz gefeit vor diesem hässlichen, miesen, kleinen Gefühl. Ob ich mir Liebe doch kaufen kann? Und deshalb fühlen wir uns ein bisschen ertappt von dem – wie ich meine – ironischen Spruch.

Die Weihnachtsgeschichte muss von uns erzählt werden

Sicher ist: Wir alle, die wir den Werbern den Gefallen tun, die Exegese ihrer Zitate zu übernehmen, machen einen prima Job, für den die Agentur sonst teure Leute anstellen müssten. So eine Art virales Marketing auf evangelisch. Das hat schon perfekt mit dem Werbespruch "Geiz ist geil" funktioniert. Der wurde auf Kirchentagen und Synoden noch strapaziert, da war er schon Jahre aus den Geschäften verschwunden. "Wir sind doch nicht blöd." Oder vielleicht doch?

Natürlich wollen wir, dass es an Weihnachten nicht um den Elektronikschrott unterm Baum geht, sondern um die christliche Botschaft. Aber Leute, das ist unser Job! Die Weihnachtsgeschichte muss von uns erzählt werden. Martin Luther war ein genialer Texter. Wir sind die Kirche des Wortes. Beleidigt auf Kampagnen zeigen, die besser funktionieren als die Original-Weihnachtsgeschichte – das ist zu wenig.

Heute morgen habe ich im Radio auf SWR3 eine Radio-Andacht gehört, die vom Bilderbuch "Ritter Rost" und seiner Weihnachtspizza erzählt hat. Wenn der Moderator nicht gesagt hätte, dass dies jetzt ein Pastor war –man hätte auch denken können, es sei der Kinderkasper aus dem wilden Süden. Wenn wir die Weihnachtsgeschichte selber nicht mehr erzählen, dann müssen wir uns nicht wundern, dass gute Agenturen lustigere Geschichten erfinden.

Schepper-Radio statt iPod

Ich bekenne freimütig: Auch ich war im Advent schon zweimal bei Media Markt, es war brechend voll. Ich bin sicher, viele von denen, die ich da getroffen habe, werde ich trotzdem Heiligabend in der ebenfalls brechend vollen Kirche wieder treffen.

Und letztes Jahr war es so: Die ganze Familie hat für den elfjährigen Oskar viele Euros zusammen gelegt für einen iPod, ich auch. Am 24. Dezember morgens habe ich – damit es noch ein zweites Päckchen zum Auspacken gibt – für 3,50 Euro am Darmstädter Bahnhof bei Nanu Nana ein Quatsch-Geschenk gekauft. Ein knallrosa Miniradio, retromäßig auf Ghetto Blaster getrimmt. Schepper, klirr, furchtbarer Empfang, aber lustig. Es war der Hit des Abends. Das Kind ist um 23 Uhr erschöpft mit dem rosa Schweinchenradio am Nachttisch eingeschlafen. Wurde das jetzt unterm Baum entschieden? Oder im Himmel? Wer weiß. Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass ich als Mutter sowieso an Platz eins im Herzen meines Sohnes stehe.


Ursula Ott ist stellvertretende Chefredakteurin des evangelischen Magazins chrismon und Chefredakteurin von evangelisch.de.