Was hat Palmöl mit den Menschenrechten zu tun?
EKD-Ratsvorsitzender Nikolaus Schneider unterstützt die Aktion der Vereinten Evangelischen Mission "Gegen Landraub" in Entwicklungsländern zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember 2011. Die Aktion soll über das "Land-Grabbing" internationaler Konzerne aufklären, das oftmals mit der Vertreibung der Landbewohner einhergeht.
08.12.2011
Von K. Rüdiger Durth

Das Plakat, das die 34 Kirchen in Deutschland, Afrika und Asien umfassende Vereinte Evangelische Mission (VEM) für ihre Aktion "Gegen Landraub" zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember hat drucken lassen, ist erschütternd. In einem Einkaufswagen wird einfach fruchtbares Land mit Haus, Baum und Tier mit dem Schild "Sale" weggefahren. Damit will man auf die Probleme aufmerksam machen, die sich aus dem Kauf oder der Pacht von fruchtbarem Boden in der Größenordnung deutscher Bundesländer durch internationale Konzerne oder Staaten wie China ergeben. Bevorzugte Kontinente sind Afrika und Asien, aber auch Lateinamerika.

[listbox:title=Tag der Menschenrechte[Der Tag der Menschenrechte erinnert an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die am 10. Dezember 1948 von der UN-Vollversammlung in Paris verabschiedet wurde. Das Dokument ist völkerrechtlich nicht verbindlich, setzte aber international Normen für unveräußerliche Grundrechte und Freiheiten. Dazu gehören das Recht auf Leben, auf Glaubens-, Meinungs- und Pressefreiheit sowie der Schutz vor Folter, willkürlicher Haft und Diskriminierung. Auch wirtschaftliche Menschenrechte wie das Recht auf Arbeit, Nahrung und Wohnung sind in der Erklärung enthalten. "Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren", heißt es in dem Dokument, das unter dem Schock des Nazi-Terrors und des Zweiten Weltkriegs entstanden war.]]

Was das mit den Menschenrechten zu tun hat? Soviel, dass der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland und Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) die Aktion der VEM "mit großem Nachdruck" unterstützt: Denn das Land wird den Bauern für wenig Geld abgekauft oder sie werden per Unterschrift zum Verkauf gezwungen, obwohl diese weder lesen noch schreiben können. Man verspricht Ihnen den Bau von Schulen und Gesundheitszentren, die so gut wie nie gebaut werden. Wer sich gegen den Verkauf wehrt, wird nicht selten von bezahlten Schlägertrupps von seinem Land und aus seinem Haus vertrieben. Nicht selten können sich die Konzerne auf das Stillhalten der Behörden verlassen, deren korrupte Beamte am Milliardengewinn beteiligt werden.

Milliardengewinne nehmen keine Rücksicht auf das Leben armer Menschen

Die bisherigen kleinen Landbesitzer, die durchaus vom Ertrag ihres Bodens sich und ihre Familien ernähren konnten, werden buchstäblich brotlos. Dazu kommen durch Düngemittel übersäuerte Böden, versiegende Bewässerungsanlagen, Zerstörung der Biodiversität und gewaltige Klimaschäden. Außerdem werden die Lebensmittel für eine immer schneller wachsende Weltbevölkerung zunächst immer teurer und dann immer knapper. Doch darauf nehmen die internationalen Konzerne keine Rücksicht. Ihnen kommt es einzig und allein auf den Gewinn an. Und dieser ist angesichts der wachsenden Rohstoffknappheit gewaltig. Was ist schon das Leben tausender armer Menschen gegen die erwarteten Milliardengewinne?

Zu dem genannten Verlust kommt der Verlust der angestammten Heimat, betont VEM-Generalsekretär Fidon Mwombeki. Denn auf ihrem Land haben die Eltern und Großeltern gelebt. Dort sind diese auch begraben. Das ist für viele dieser Menschen kaum zu ertragen, dass ihre Heimat verloren geht." Mwombeki, der aus Tansania stammt, hat nichts gegen ausländische Investitionen. Im Gegenteil. Afrika beispielsweise sei auf sie angewiesen. Doch müssten diese Investitionen den Menschen dienen, nicht ihnen schaden. Landverkäufe müssen aus seiner Sicht freiwillig sein, der Preis muss stimmen, gemachte Versprechen für die Bevölkerung sind einzuhalten und der neue Eigentümer oder Pächter muss verantwortlich mit dem Land umgehen.

Palmölplantagen vernichten den Regenwald und vertreiben Bewohner

Für ihre Aktion "Gegen Landraub" hat die Vereinigte Mission das Beispiel Palmöl gewählt, das vor allem in Indonesien und Malaysia in riesigen, für das Auge kaum erfassende, Plantagen angebaut wird und immer mehr fruchtbares Land verschlingt. Nicht zuletzt den wertvollen Regenwald. Palmöl als wertvolles Speiseöl findet vielfache Verwendung – von der Margarine ("pflanzliche Fette") bis zur Fertigpizza im Supermarkt, von der Kosmetik bis zum Biodiesel. Am weltweiten Verbrauch von pflanzlichen Ölen ist Palmöl – das aus dem Fruchtfleisch der Ölpalme gewonnen wird – mit 34 Prozent beteiligt. Nimmt man noch das aus den Kernen gepresste Palmkernöl dazu, sind es 38 Prozent. Tendenz stark steigend.

Im zurückliegenden Erntejahr kamen nach Angaben von "Brot für die Welt" mit 21 Millionen Tonnen fast die Hälfte der gesamten Weltproduktion von 45 Millionen Tonnen Palmöl aus Indonesien, wo offiziell 7,3 Millionen Hektar mit Ölpalmen bepflanzt sind (Nichtregierungsorganisationen gehen von 9,2 Millionen Hektar aus). Die Ölplantagen fressen sich immer weiter in den Regenwald, vertreiben immer mehr Menschen, vergrößern so das soziale Elend.

Die Versprechen der Großkonzerne müssen nicht immer ein Segen sein

"Brot für die Welt" greift als Beispiel die weithin noch von Wald bedeckte Provinz Papua auf, die auf der Insel Neuguinea zu Indonesien gehört und größer als Deutschland ist. Indonesien geht davon aus, dass in dieser Provinz auf fünf bis über neun Millionen Hektar Palmöl angebaut werden kann. Diese Plantagen, für die wertvoller Regenwald geopfert wird, sind sehr arbeitsintensiv. Man schätzt, dass pro Tausend Hektar rund 350 Arbeitskräfte benötigt werden. Werden tatsächlich fünf Millionen Hektar Ölplantagen angelegt, werden dafür 1,75 Millionen Arbeitskräfte benötigt (bei einer derzeitigen Bevölkerung von 2,9 Millionen in Papua). Also würden riesige Heere von Wanderarbeitern nach Papua kommen, die oft schlecht bezahlt und großen gesundheitlichen Schäden ausgesetzt, für zusätzlichen sozialen Sprengstoff sorgen.

Jochen Motte vom VEM-Vorstand: "Mit unserer Aktion wollen wir darauf aufmerksam machen, dass durch Landvertreibungen elementare Menschenrechte verletzt werden. Uns geht es auch darum, international agierende Unternehmen verbindlich zu verpflichten, Menschenrechte zu achten. Investitionen und Spekulation um Land dürfen nicht zur Vertreibung und Enteignung von denen führen, die sich am wenigsten dagegen wehren können." Die Evangelische Kirche in Papua hat damit begonnen, die Dorfbewohner in ihren Rechten zu schulen und dafür zu sensibilisieren, dass die Versprechen der Großkonzerne nicht immer ein Segen seien.

Präses Schneider: Gegen den Landraub und für die Menschen

Für den VEM-Generalsekretär Mwombeki muss der Druck gegen den Landraub und die Korruption "von innen" kommen: "Die Zivilgesellschaften müssen für ihre Rechte kämpfen." Dabei spielten die Kirchen vor Ort eine zentrale Rolle. Wichtig aber ist aus der Sicht der VEM auch, dass die Menschen etwa in Deutschland wissen, unter welchen Umständen etwa Palmöl produziert wird, das sich in ihren Lebensmitteln befindet. Präses Schneider betont, dass er die Kampagne "Gegen Landraub" auch deshalb unterstützt, "weil es eine Kampagne für die Menschen ist."

Und die VEM hat ihrer Kampagne, für die der "Tag der Menschrechte" 2011 den Auftakt bildet, ein Wort aus dem Alten Testament zur Seite gestellt: "Denn das Land soll euch seine Früchte geben, damit ihr genug zu essen habt und sicher darin wohnt" (3. Mose 25,19). Für den EKD-Ratsvorsitzenden ein Wort, das angesichts des zunehmenden Landraubs auf der südlichen Erdhalbkugel an Deutlichkeit nicht zu überbieten ist. Und man müsse sich immer wieder fragen, wie die Konsum-Bedürfnisse der westlichen Länder die Existenz der Menschen auf der südlichen Erdhalbkugel gefährdeten.

Die Vereinte Evangelische Mission (VEM) ist eine internationale Gemeinschaft von 34 Kirchen in Afrika, Asien und Deutschland und den von Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel. Der Hauptsitz ist Wuppertal. Die VEM verfolgt ein ganzheitliches Missionsverständnis: Zur Verkündigung des Evangeliums gehört deshalb auch, die Lebensumstände notleidender Menschen zu verbessern und für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung einzutreten.

Materialien zu der Kampagne "Gegen Landraub – Für Menschenrechte" sind bei der VEM unter Telefon 0202/890 04-142 oder per E-Mail jpic@vermission.org zu bestellen.


K.Rüdiger Durth (Bonn/Berlin), Journalist und Theologe, ist regelmäßiger Mitarbeiter von evangelisch.de.