Datenfalle Internet: Löschung von Nutzerprofilen
Die Daten in Internetdiensten eingeben: kinderleicht. Die Daten wieder komplett löschen: schier unmöglich. Dass Verbraucher beim Löschen von Internet-Einträgen Probleme haben, zeigen die zunehmenden Beschwerden, die das Verbraucherzentralen-Projekt Verbraucherrechte in der digitalen Welt erhält. Klar ist: Das Löschen von Accounts muss einfacher werden. Dies ließe sich im Telemediengesetz regeln. Doch die Bundesregierung steht bei der Novellierung seit Monaten auf der Bremse.
08.12.2011
Von Thomas Klatt

Stellen Sie sich vor, Sie gehen in ein helles freundliches Kaufhaus mit weiten offenen Türen und vielen Etagen, fahren die Rolltreppen immer höher, naschen dort, probieren hier, kaufen vielleicht auch das eine oder andere Schnäppchen ein. Nur irgendwann möchten Sie trotz der schier unendlichen Fülle an Waren und Sonderangeboten wieder hinaus. Doch plötzlich führen keine Rolltreppen mehr nach unten, Wege sind verstellt, die Türen sind verschlossen. Was durchaus als Vorlage für einen Horrorfilm dienen könnte, ist Alltag im heutigen Internet-Geschäft. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat jetzt in einer repräsentativen Umfrage das Löschen von Accounts und Kundenkonten auf Online-Plattformen untersucht.

Die Ergebnisse der Verbraucherschützer sind erschreckend und bestätigen eine Vielzahl von Beschwerden, die in der letzten Zeit bei den Verbraucherzentralen eingegangen sind. Von den rund 1.400 telefonisch Befragten über 14 Jahren haben genau die Hälfte erst nach längerem Suchen eine Möglichkeit gefunden, ihr Online-Kundenkonto zu löschen. Die Mehrheit der deutschen User ist bei Sozialen Netzwerken (24,5 Prozent) Webmaildiensten (23,5 Prozent) oder Onlineshops (20,8 Prozent) registriert. Weniger wichtig sind Onlinespieleplattformen (16,0 Prozent), Musik- oder Videoportale (15,0 Prozent). Den geringsten Wert mit 14,9 Prozent nehmen Community-Webseiten diverser Online-Foren oder Chatsysteme ein.

Verbraucher straucheln beim Löschen ihrer Internet-Accounts

Die Hindernisse zum Löschen des persönlichen Accounts sind vielfältig. Für viele vor allem ältere User ist das Beenden eines Online-Geschäftsverhältnisses oft zu kompliziert und undurchsichtig. Rund ein Viertel der Befragten gab an, dass sie vom Anbieter keine Rückmeldung oder Bestätigung ihrer Abmeldung erhalten hätten. Jeder Fünfte konnte sich nicht selbständig per Mausklick aus den Kundendaten löschen, sondern musste erst umständlich eine e-mail an den Anbieter senden.

"Fast 11Prozent mussten sogar Gründe für ihren Austritt angeben, um den Schritt zum Löschen des Accounts tatsächlich vollziehen zu können. Das ist eine bedenklich hohe Anzahl, denn es gibt ein Recht auf Löschung", sagt Cornelia Tausch, Leiterin des Fachbereichs Wirtschaft und Internationales im vzbv.

Und selbst wenn Kunden es geschafft hatten, ihr Online-Konto zu löschen, so wussten sie nicht, ob es auch wirklich aus dem Datenspeicher verschwunden war. Zwei Drittel der privaten Internetnutzer sind sich nach der aktuellen Umfrage nicht sicher, ob ihre Nutzer- und Kundendaten auch wirklich gelöscht wurden.

vzbv fordert Verbesserungen im Telemediengesetz

Das Internet dürfe aber nicht zur Datenfalle werden, sagte vzbv-Vorstand Gerd Billen. Die Kundenunfreundlichkeit vieler Online-Portale rufe daher nach strengeren Gesetzen. "Wer keinen leicht zu findenden Ausgang aus Online-Shops, Accounts oder Netzwerken anbietet, der missachtet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Das ist ein Grundrecht, das mir die Möglichkeit gibt, selbst zu bestimmen, wo ich Daten zur Verfügung stelle und auch wieder nicht. Deswegen ist es an der Zeit, dass Bundeswirtschaftsminister Rössler jetzt tätig wird. Auf seinem Schreibtisch liegt der Entwurf eines Telemediengesetzes dafür", erklärt Billen. Aus dem Bundesland Hessen gebe es bereits den Vorschlag, dass jeder Online-Anbieter auf seiner Startseite einen simplen Button zum Löschen der jeweiligen persönlichen Kundendaten setzen solle.

"Herr Rössler könnte noch mehr tun, nämlich dafür zu sorgen, dass die Voreinstellungen in einem Online-Shop etwa datensparsam eingestellt sind, dass ich mich nicht mehr völlig digital ausziehen muss, um mir einen Zugang zu ermöglichen. Dass ich nicht mehr ein Maximum an Informationen über mich preisgeben muss", fordert Billen. Das Prinzip "Privacy-by-Default" ließe sich eben auch als nationales deutsches Recht implementieren, wenn die derzeitige Bundesregierung denn dazu einen Gesetzes-Rahmen zum Schutze der Online-User endlich verabschieden würde. Demnach müssten alle Produkte und Dienstleistungen, alle sozialen Netzwerke, Browser und Smartphones bei ihrer Auslieferung und vor der ersten Inanspruchnahme datenarm möglichst anonymisiert aktiviert und betrieben werden können.

Wissen, was Anbieter und Nutzer dürfen

Das Prinzip beinhaltet zudem die automatische Löschung aller nicht mehr verwendeten User-Accounts, ohne dass der Kunde dies umständlich beantragen muss. In einer Online-Petition versucht der vzbv daher, die zuständigen Ministerien endlich zu einer benutzerfreundlichen Fassung des neuen Telemediengesetzes zu animieren. Zusätzlich wollen die Verbraucherschützer unter www.surfer-haben-rechte.de die User zu mehr Eigenständigkeit zur Durchsetzung ihrer Rechte bewegen.

Letztlich müsse es in der Datenpflege aber auch mehr Einsicht seitens der Anbieter geben. "Die persönlichen Daten und Accounts sind zwar der Geschäftsschatz vieler Online-Anbieter. Aber wenn die nicht mehr genutzt werden, sind es Datenfriedhöfe", rät Cornelia Tausch vom vzbv.

Und letztlich gilt auch im Internet wie in jedem richtigen Kaufhaus: Nur Kunden, die nicht nur das Gefühl, sondern auch die Gewissheit haben, dass ihre persönlichen Daten dort gut aufgehoben sind, kommen gerne wieder.


Thomas Klatt ist evangelischer Theologe und freier Autor in Berlin.