Alte Handys und Computer sind eine Goldgrube
Im Müll verbergen sich Schätze: Auf der Suche nach seltenen Metallen können ausgediente Mobiltelefone und alte Gebäude wahre Fundgruben sein. Städte sind die neuen Minen. Die Fachwelt spricht vom "urban mining".
07.12.2011
Von Gesine Kauffmann

Das Bergwerk der Zukunft steckt in der Hosentasche, steht auf dem Schreibtisch oder parkt vor dem Haus: Handys, Laptops und Autos enthalten viele edle und seltene Metalle, die aufbereitet und wiederverwertet werden können. Aus 40 alten Mobiltelefonen kann so viel Gold gewonnen werden wie aus einer Tonne Erz.

Klimaschutz als Nebeneffekt

Auch alte Wohnhäuser und verfallene Fabriken gelten als "urbane Minen". Ihre Ausbeutung wird für die Industrie immer bedeutsamer, weil neue Rohstoffe knapper und teurer werden. Deutschland ist zudem bei Metallen fast komplett auf Einfuhren angewiesen.

Weitere Vorteile des "urban mining": Es richtet weniger Umweltschäden an und trägt zum Klimaschutz bei. Bei der Rückgewinnung von Edelmetallen wird deutlich weniger Energie und Wasser verbraucht als im Bergbau, wie Christian Hagelüken von der Materialtechnologie- und Recyclingfirma Umicore dem Frankfurter Magazin "Welt-Sichten" erklärte.

Damit verringert sich auch der Kohlendioxidausstoß. Zum Vergleich: Für fünf Gramm Gold aus einer Mine in der Erde muss durchschnittlich eine Tonne Erz bewegt werden. Die Ausbeute aus einer Tonne Computer-Leiterplatten hingegen beträgt mehr als 200 Gramm. Dennoch wird in alten Gebäuden und auf Schrottplätzen noch wenig geschürft, wie das UN-Umweltprogramm in einem Bericht betont.

Endlager Schublade?

Aus Schmuck und Industrieanlagen werden bis zu 90 Prozent des Goldes recycelt, aus Elektrogeräten wie Handys hingegen lediglich 10 bis 15 Prozent. Kein Wunder, denn die meisten alten Handys schlummern in Schubladen, während ihre Besitzer schon mit dem neuesten Modell telefonieren. Von den rund 800 Millionen Geräten, die 2009 weltweit verkauft wurden, wurden weniger als zehn Prozent der wertvollen Inhaltsstoffe recycelt, schätzen Experten.

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"Mobiltelefone sind ein besonders negatives Beispiel", sagt Matthias Buchert vom Darmstädter Öko-Institut und Mitautor des UN-Berichtes. Die Erfassungsquote könne mit klaren Vorgaben und Anreizen wie einem Pfandsystem deutlich erhöht werden. Auch Hagelüken ärgert sich über zu geringe Sammelquoten und kann sich ein Pfand auf Mobiltelefone gut vorstellen.

Noch mehr ärgert ihn aber, dass große Mengen alter Elektrogeräte aus Europa - allein aus Deutschland jährlich 155.000 Tonnen - nach Asien und Afrika verschifft werden. 60 Prozent davon würden nicht korrekt recycelt. Damit gingen Metalle im Wert von mindestens 3,7 Milliarden Euro verloren, sagt Hagelüken. Die Verarbeitung mit giftigen Stoffen wie Quecksilber und Zyanid in Hinterhöfen oder auf Müllhalden belaste die Umwelt und schade der Gesundheit der Arbeiterinnen und Arbeiter.

Das Fernziel ist eine weltweite Wiederverwertung

UN-Organisationen, staatliche Entwicklungsagenturen, Unternehmen und Forschungsinstitute treiben deshalb die Initiative "Solving the E-Waste Problem" voran, um eine fachgerechte und sichere Verwertung von Elektroschrott weltweit durchzusetzen.

Noch kaum recycelt werden bislang die sogenannten seltenen oder kritischen Metalle. Dazu zählen neben Lanthan und Neodym weitere Technologiemetalle wie Indium, Gallium und Germanium. Sie werden vor allem in der Umwelttechnik und in High-Tech-Produkten verwendet. Wissenschaftler suchen nach Wegen, sie aus Smartphones, Windturbinen, Energiesparlampen, Leuchtdioden, Hybridautos und Katalysatoren wiederzugewinnen. Denn China baut 95 Prozent dieser Metalle ab und nutzt seine Monopolstellung, die Preise hochzutreiben.

Ob Metalle oder Seltene Erden: Um sie effizient und umweltfreundlich zu nutzen, muss nach Ansicht von Fachleuten eine globale Recyclingwirtschaft aufgebaut werden, die noch in weiter Ferne ist. Deutschland ist gerade dabei, sein Kreislaufwirtschaftsgesetz zu novellieren - es hängt derzeit allerdings im Bundesrat fest.

epd