Wer hebt die Meeresschätze vor Madagaskar?
Deutsche Forscher haben im Pazifik in 3.000 Meter Tiefe wertvolle Industrierohstoffe gefunden. Die Bundesregierung wird nun einen Claim abstecken - im Indischen Ozean.
07.12.2011
Von Hermannus Pfeiffer

Eine reiche Goldgrube fanden deutsche Forscher im Indischen Ozean vor Madagaskar. In Tiefen zwischen 2.800 und 3.400 Metern stießen die Wissenschaftler der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) zwischen dem afrikanischen Kontinent und Australien auf Erze mit sehr hohen Kupferanteilen. "Die Felder besitzen mit Kupfergehalten von bis zu 24 Prozent die höchsten Metallanreicherungen, die bisher vom Meeresboden bekannt sind", sagte Ulrich Schwarz-Schampera, Leiter der Expedition, in Hannover.

Damit nicht genug, liegt der durchschnittliche Gehalt deutlich oberhalb der üblichen Kupferkonzentrationen in Lagerstätten an Land. Außerdem fanden die Forscher der Bundesbehörde Hinweise auf diverse Edel- und Sondermetalle wie Gold und Silber, Wismut, Selen und Indium - unverzichtbare Bausteine für die Nutzung der Sonnenenergie oder in Geräten der Computerbranche.

"Schwarze Raucher", die auf Rohstoffvorkommen in der Tiefsee hinweisen. Foto: Marum

Nun rücken nicht allein die möglichen Öl- und Gaslagerstätten in der Arktis in den Fokus der Industrie, sondern auch der Indische Ozean und erneut der Pazifik. Das erst 2010 gegründete Rohstoffamt DERA sucht im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums nach Rohstoffen im Meer.

Ziel der von September bis Mitte November dauernden Entdeckungsreise des Forschungsschiffes "Sonne" war es, metallreiche Ablagerungen in der Tiefsee am Zentralindischen Rücken zu erkunden. Dabei haben die DERA-Experten Austrittsstellen metallreicher Lösungen am Meeresboden untersucht, sogenannte Schwarze Raucher.

Die Hohe See ist Allgemeingut - eigentlich

Das Interesse in der Wirtschaft ist groß. "Die Häufigkeit des Auftretens der Erze und die hohen Metallgehalte entlang aller ozeanischen Spreizungszonen haben kürzlich zu einer Neubewertung des wirtschaftlichen Potenzials durch die internationale Gemeinschaft geführt", so Forschungsleiter Schwarz-Schampera. Von besonderem Interesse sind dabei besagte Schwarze Raucher.

Sie treten an den Nahtstellen in den Weltozeanen auf, dort wo die tektonischen Platten der Kontinente auf 55.000 Kilometern Länge aufeinander stoßen und Mineralien aus dem Urgrund der Erde sprudeln. Angesichts stark steigender Rohstoffpreise, Bürgerkriegen und Ländermonopolen gibt es einen weltweiten Trend zur Erkundung potenzieller Vorkommen am Meeresboden. Zudem hängt die deutsche Industrie zu beinahe 100 Prozent vom Import von Metallrohstoffen ab.

Begutachtung von metallreichen Proben. Foto: BGR Hannover

Dabei ist selbst das Meer außerhalb der nationalen Wirtschaftszonen von 200 Seemeilen (etwa 370 Kilometer) kein rechtsfreier Raum. Seit 1994 regelt das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ) den Abbau von Rohstoffen. Mit dem Übereinkommen wurden mehrere Institutionen geschaffen, darunter die Internationale Meeresbodenbehörde mit Sitz in Kingston.

Die UN-ISA auf Jamaika regelt den Zugang zu den Funden, vergibt Lizenzen - und müsste im Erfolgsfall dafür sorgen, dass auch Länder ohne Tiefseebergbau am wirtschaftlichen Nutzen teilhaben. Die Hohe See gilt im Völkerrecht quasi als Allmende, als gemeinschaftliches Eigentum der Weltgemeinschaft.

Bereits 2006 hatte die Bundesrepublik, wie andere Industriestaaten auch, einen Erkundungs-Claim im Pazifik abgesteckt - größer als Niedersachsen und Schleswig-Holstein zusammen. Im Pazifik ruhen tief am Meeresgrund so genannte Manganknollen. Die kleinen, schwarzbraunen Brocken enthalten neben Mangan- und Eisenverbindungen wertvolle Industriemetalle wie das teure Kupfer, Nickel und Kobalt. Auf die weitgehend staatlich finanzierte Grundlagenforschung folgte hier die private Exploration: So erntet der kanadische Bergbaukonzern Nautilus Minerals als Erster in 5.000 Metern Wassertiefe vor Nauru, Tonga und Papua-Neuguinea Manganknollen ab.

Kein Staat darf sich aus der Verantwortung stehlen

Was den UN-Seegerichtshof in Hamburg Anfang des Jahres zu einem wegweisenden Urteil veranlasste: Nautilus Minerals haftet in jedem Fall für Schäden, selbst wenn der Vertrag mit Nauru einen Haftungsausschluss vorsieht. So kann sich selbst in der nationalen 200-Seemeilen-Zone kein Staat einfach aus der Verantwortung stehlen, sondern ist dem "Vorsorgegrundsatz" verpflichtet. Er muss sicherstellen, dass Bergbaukonzerne die Regeln des internationalen Seerechts zum Schutz der Umwelt einhalten.

Sind Naurus Gesetze zu löcherig oder die Aufsicht zu nachlässig, haftet das Inselreich für Schäden mit. Dieser Grundsatz gilt für 148 Staaten, die das internationale Seerecht anerkennen. Es fehlen auch hier wieder einmal die USA. Die Vereinigten Staaten sollen bereits ein gutes Dutzend Konzessionen nach eigenem Recht vergeben haben.

Die Jagd auf die Tiefsee geht weiter, rechtlich, wirtschaftlich und politisch. Die Goldgrube im Indischen Ozean vor Madagaskar hat einen weit höheren Mineralgehalt zu bieten als die Manganknollen im Pazifik. Nach der jetzigen Erfolgsexpedition wird nun die Bundesregierung eine Lizenz beantragen, um auch im Indischen Ozean einen Claim abzustecken. Bei der Förderung dürften deutsche Unternehmen nicht unter sich bleiben: China und Russland haben bereits in diesem Sommer Explorationslizenzen von der UN-Meeresbodenbehörde erworben.


Hermannus Pfeiffer ist freier Wirtschaftsautor in Hamburg.