Viele Redner betonten, dass die Unterstützung Afghanistans zehn Jahre nach dem Sturz der Taliban und der Stationierung der Truppen vor einer Zäsur stehe. "Uns alle eint das Ziel eines sicheren und friedlichen Afghanistan in einer prosperierenden Region", sagte Merkel. Von Afghanistan dürfe nie wieder eine terroristische Bedrohung für die Welt ausgehen.
Konkrete Finanzzusagen wurden bei der Außenministerkonferenz, an der rund 1.000 Vertreter von 85 Staaten teilnahmen, nicht gemacht. Im Mittelpunkt standen der Friedensprozess und politische Reformen in Afghanistan. US-Außenministerin Hillary Clinton sprach von einer neuen Phase der Partnerschaft mit dem Land am Hindukusch.
Merkel appellierte an den afghanischen Präsidenten Hamid Karsai, Korruption und Drogenhandel stärker zu bekämpfen. Zugleich müsse ein politischer Prozess alle ethnischen und gesellschaftlichen Gruppen einschließen. Das könnten nur die Afghanen selbst schaffen.
Karsai: Unsere Demokratie bleibt fragil
Nach den Worten von Afghanistans Präsident Hamid Karsai ist Afghanistan trotz aller Fortschritte noch weit von Stabilität und Eigenständigkeit entfernt. "Unsere Demokratie bleibt fragil", sagte er. Hauptgrund seien Straflosigkeit, Korruption und Terrorismus. Dessen "regionale Dimension" sei vernachlässigt worden. In der Vergangenheit hatte Karsai Pakistan häufig beschuldigt, den aufständischen Taliban Unterschlupf zu gewähren.
Karsai sicherte zu, für faire Wahlen zu sorgen und den Aufbau des Rechtsstaats voranzubringen. Zum Friedensprozess sagte er, die Tür stehe allen offen, die sich von Gewalt abwendeten. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sprach von Versprechen auf Gegenseitigkeit zwischen Afghanistan und der Staatengemeinschaft. Es könne am Hindukusch keine militärische Lösung geben, sondern nur eine politische. "We will not leave you alone", rief Westerwelle den Afghanen zu und wiederholte auf deutsch: "Wir lassen euch nicht allein. Ihr werdet nicht im Stich gelassen." Karsai vernahm das mit einem zufriedenen Nicken.
Auch die amerikanische Außenministerin Hillary Clinton sicherte Afghanistan weitere Hilfe zu, bat jedoch um Verständnis für begrenzte Budgets wegen der internationalen Finanzkrise. Zugleich bedauerte sie in ihrer Rede erneut die Bombardierung pakistanischer Soldaten durch Nato-Truppen. Pakistan wird eine Schlüsselrolle bei der Lösung des Afghanistan-Konflikts zugeschrieben. Das Land boykottierte die Konferenz, weil 24 pakistanische Soldaten durch einen Nato-Luftangriff im Grenzgebiet zu Afghanistan ums Leben gekommen waren.
Ohne Pakistan fehlte ein wesentlicher Partner
Nach Clintons Ansprache forderten drei Abgeordnete der Linkspartei im Plenum mit Zwischenrufen den sofortigen Abzug der Nato-geführten ISAF-Truppen. Christine Buchholz, Kathrin Vogler und Heike Hänsel entrollten ein Transparent mit der Aufschrift "Nato = Terror - Troops out now".
Die Nato führe in Afghanistan einen Krieg gegen die Zivilbevölkerung, sagte Buchholz. Die Politikerinnen protestierten auch dagegen, dass nur zwei Vertreter der afghanischen Zivilgesellschaft im offiziellen Teil der Konferenz sprechen durften. Die Vertreter der Zivilgesellschaft säßen "am Katzentisch", die politische Opposition sei gar nicht eingeladen, kritisierte sie.
Mit einer Mahnwache und einer Schifffahrt auf dem Rhein protestierten Friedensaktivisten gegen die Afghanistan-Konferenz. Nach Angaben der Veranstalter beteiligten sich daran rund 200 Menschen. "Die Konferenz hätte abgesagt werden müssen, als Pakistan seine Teilnahme abgesagt hat", sagte Monty Schädel von der "Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsgegner". Ohne Beteiligung Pakistans könne die Staatengemeinschaft den Krieg in Afghanistan nicht beenden.
Der zweite mächtige Nachbar Afghanistans, der Iran, war in Bonn trotz des eskalierenden Atomstreits vertreten. Außenminister Ali Akbar Salehi forderte den Abzug aller ausländischen Soldaten aus Afghanistan. Die Präsenz der Nato-geführten Schutztruppe Isaf habe nicht zu Frieden und Sicherheit in Afghanistan geführt, sagte er. Der iranische Außenminister warf den internationalen Soldaten auch Angriffe auf Zivilisten vor.
Das deutsche Engagement in Afghanistan - ein Überblick
MILITÄR: An der Nato-geführten Eingreiftruppe (International Security Assistance Force - ISAF) ist die Bundeswehr derzeit mit 5.323 Soldaten beteiligt, davon 354 als flexible Reserve. Deutschland stellt nach den USA und Großbritannien die drittgrößte Truppe, eingesetzt im Norden des Landes. Die ISAF umfasst derzeit rund 130.000 Männer und Frauen. Bis 2014 sollen die ausländischen Kampftruppen Afghanistan verlassen, Deutschland will im Februar 2012 mit dem Abzug der Bundeswehr beginnen. Nach Angaben des Bundesverteidigungsministeriums starben seit Beginn des ISAF-Einsatzes vor zehn Jahren 52 deutsche Soldaten in diesem Einsatz.
ENTWICKLUNGSHILFE: Im Mittelpunkt stehen der Aufbau der Wirtschaft, ländliche Entwicklung, gute Regierungsführung, Strom- und Wasserversorgung sowie Grundbildung. Hinzu kommt die Förderung der Menschenrechte, etwa in Projekten für Frauen und Mädchen. Die Hilfen konzentrieren sich auf den Norden des Landes, der im Vergleich zum Süden als sicherer gilt. Für die Jahre 2010 bis 2013 wurde die deutsche Hilfe auf fast 430 Millionen Euro jährlich erhöht. Deutschland ist damit das drittgrößte Geberland nach den USA und Japan.
POLIZEI: Im April 2002 übernahm Deutschland die führende Rolle beim Aufbau der afghanischen Polizei, vor allem in Zentralafghanistan und Kabul. Seit Juni 2007 gehört das deutsche Polizeiprojektbüro zur Europäischen Polizeimission in Afghanistan, wo rund 60 deutsche Polizisten und zivile Mitarbeiter eingesetzt sind. Daneben sind rund 200 deutsche Polizeiausbilder zur Schulung einheimischer Sicherheitskräfte vor Ort. Für 2011 und 2012 wurden je 77 Millionen Euro für den Aufbau der afghanischen Polizei bereitgestellt. Die Ausbildung zusätzlicher Polizisten in den Provinzen wird maßgeblich von den USA finanziert.
KULTUR: Das Auswärtige Amt unterstützt auch kulturelle und bildungspolitische Projekte in Afghanistan. Dazu zählen das 2003 eröffnete Goethe-Institut in Kabul, die Unterstützung für Medien und der Schutz von Kulturgütern. Schulen und Hochschulen erhalten personelle und materielle Hilfe. Gefördert wird auch die erste Musikschule in Kabul, die 2010 öffnete. Seit 2003 hat Deutschland für Kultur und Bildung in Afghanistan rund 110 Millionen Euro bereitgestellt.