Gegen Rechts und gleich ein Nestbeschmutzer?
Immer wieder wird zu Zivilcourage und Engagement gegen Neonazis aufgerufen. Doch wer sich gegen Rechtsextremismus wehrt, trifft mitunter auf wenig Gegenliebe und wird als Nestbeschmutzer angesehen. So wie im brandenburgischen Zossen.
05.12.2011
Von Yvonne Jennerjahn

Wer sich in Zossen gegen Neonazis wehrt, hat es nicht leicht. Als "Angstraum" für Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, beschreibt der Verein "Opferperspektive" die brandenburgische Kleinstadt mit rund 17.000 Einwohnern. Vor wenigen Tagen wurde in dem südlich von Berlin gelegenen Zossen ein früherer Anführer der seit April verbotenen "Freien Kräfte Teltow-Fläming" wegen Anstiftung zu einem Brandanschlag auf das "Haus der Demokratie" zu einer längeren Haftstrafe verurteilt.

Morddrohungen, Hakenkreuz-Schmierereien, Störungen beim Holocaust-Gedenken, beschädigte Stolpersteine für NS-Opfer, Angriffe auf Zuwanderer und politische Gegner - die Liste der Vorwürfe gegen die Neonaziszene in der Stadt ist lang. "Die rechte Szene treibt in Zossen und Umgebung seit Jahren ihr Unwesen", fasst Judith Porath von der Opferperspektive die Probleme der vergangenen Jahre zusammen.

"Immer wieder berichteten uns Betroffene, wie allein gelassen sie sich vom Staat fühlten", schreibt der Verein aus Potsdam über die Stimmung derjenigen, die den Neonazis etwas entgegensetzen wollten. "Hilflos mussten sie mit ansehen, wie die Rechten mit jeder folgenlosen Straftat mehr Allmachtsgefühle entwickelten und mehr Zulauf unter Jugendlichen bekamen."

Bürger und Stadt werden sich nicht einig

Die Neonazis hätten in der Stadt regelrecht "aufsuchende Sozialarbeit" betrieben, heißt es bei der Opferperspektive. Mit dem Verteilen von Propaganda-CDs auf Schulhöfen, Rekrutierungsversuchen vor dem Supermarkt, auf Spielplätzen und an Jugend-Treffpunkten. "Eine schleichende Politisierung der Jugendlichen, gerade auch der Mädchen" und zunehmende Empfänglichkeit für rechtsextremes Gedankengut seien die Folge gewesen.

Jörg Wanke ist einer von denen, die sich in der Stadt gegen Rechts engagieren. Nach mehreren Neonazi-Aufmärschen hat der Versicherungsmakler 2009 die Bürgerinitiative "Zossen zeigt Gesicht" gegründet. Er hat auch das "Haus der Demokratie" mit initiiert, das Anfang 2010 von Neonazis niedergebrannt wurde.

[listbox:title=Mehr im Netz[Der Verein Opferperspektive##Zossen zeigt Gesicht##Mobiles Beratungsteam für Gemeinden##Die Homepage von Zossen]]

Seit dem Verbot der "Freien Kräfte Teltow-Fläming" sei es ruhiger geworden, sagt er. Doch die Leute von der Bürgerinitiative haben es trotzdem weiter nicht leicht, weil sie von vielen als Nestbeschmutzer angesehen würden, die den Ruf der Stadt in den Schmutz gezogen hätten. Als "Zossenfeind" habe ihn ein Lokalpolitiker kürzlich beschimpft, erzählt der 45-Jährige. "Das setzt einem schon zu."

Bürgermeisterin Michaela Schreiber habe der Bürgerinitiative vorgeworfen, ein "übersichtliches Problem" aufzubauschen und die Situation so selbst "aufgeheizt" zu haben, berichten die Medien. Die Stadtchefin von der Wählervereinigung "Plan B", die einst für die SPD angetreten ist, weist Kritik zurück. Zossen werde sich "weiter energisch, aber eben auch rechtsstaatlich mit Verächtern der Demokratie und der Menschlichkeit" auseinandersetzen, sagt die Juristin.

Ein Problem, zwei Lösungswege

Das Problem in Zossen sei die Zerstrittenheit in der Stadt, sagt Jan Kasiske vom Mobilen Beratungsteam, das die Kommunen in Brandenburg bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus unterstützt. Bürgermeisterin und Stadtverwaltung würden andere Schwerpunkte setzen als die Bürgerinitiative. "Beide erkennen das Problem, gehen aber grundverschiedene Wege", sagt Kasiske diplomatisch. "Das hat den Rechtsextremen mehr Raum eröffnet als nötig wäre."

Die Bürgermeisterin setze auf Straßensozialarbeit, die Initiative auf basisdemokratisches Engagement, sagt Kasiske. "Es ist ein Riesenplus der Bürgerinitiative, dass sie sich nicht unterkriegen lässt und ein eigenes demokratisches Programm entwickelt."

Ein neues "Haus der Demokratie" gibt es in Zossen fast zwei Jahre nach der Zerstörung noch immer nicht. Ein lange leer stehendes Gebäude hatte die Bürgerinitiative in Aussicht, dann nutzte die Stadt ihr Vorkaufsrecht und wollte ein Haus für Vereine daraus machen. Doch das Haus steht weiter leer.

"Zossen könnte eigentlich eine Erfolgsgeschichte sein", sagt Jörg Wanke. Die relative Ruhe nach dem Verbot der Neonazi-Kameradschaft könnte man nutzen, um "diesen Zustand nachhaltig zu gestalten", die Atmosphäre in der Stadt und den Umgang miteinander zu verbessern, betont er: "Ich will nicht sagen, dass es hoffnungslos ist."

epd