Der Übersetzer Gottes: Die Bibel in der Jula-Sprache
Fritz Goerling hat sein Leben der Bibel und den Sprachen verschrieben. Der Münchner hat jahrelang in Afrika gelebt und mitgeholfen, die Heilige Schrift in Jula zu übersetzen - eine Sprache, die bis dahin noch gar keine Schrift hatte.
05.12.2011
Von Christiane Ried

Für deutsche Ohren hört es sich einfach nur merkwürdig an, was da gerade aus Fritz Goerlings Mund kommt: unbekannte Lautfolgen, untermalt mit abgehacktem Gurgel- und Schmatzlauten. Die ungewohnten Töne gehören zur westafrikanischen Sprache Jula (Dyula), die vor allem in der Elfenbeinküste und in Burkina Faso gesprochen wird.

Eine Schrift für sie gab es bis vor rund 25 Jahren nicht - bis schließlich Fritz Goerling mit einem Team die Bibel auf Jula übersetzt und für die rund eine Million Muttersprachler zugleich ein Alphabet entwickelt hat. Der 68-Jährige ist Sprachwissenschaftler, Islamkenner und Bibelübersetzer.

"Übersetzung ist Kunst und Wissenschaft zugleich", ist Fritz Goerling überzeugt. Auf seine Arbeit habe er sich daher erst jahrelang vorbereiten müssen, erzählt der Junggeselle, der sein Übersetzerdiplom in Englisch und Französisch sowie einen Master in Sprachwissenschaft hat, in München und Jerusalem Hebräisch und in Paris Jula, Arabisch und Islam studiert sowie obendrein noch eine Bibelschule besucht hat. Neun Studiengänge zählt Goerling schmunzelnd zusammen.

"Da hat mich Gott bei meinem Interesse gepack"

Zunächst deutete wenig darauf hin, dass Goerlings Lebensinhalt einmal die Bibel sein würde. Der Protestant, der in Greifswald und Schweinfurt aufgewachsen ist, hat zwar in seiner Kindheit und Jugend regelmäßig den Gottesdienst besucht. Doch als er zu den Büchern von Sigmund Freud griff, wurde der Glaube des damals 23-Jährigen nachhaltig erschüttert. "Ich habe dann zehn Jahre ohne Gott gelebt und die Freuden des Lebens genossen", erinnert sich Goerling.

Fritz Goerling mit einer von ihm übersetzten Ausgabe des Neuen Testaments. Foto: epd-bild/Peter Gardill-Vaassen

Die Wende kam, als seine Schwester und ihr Mann, die als Missionare in Papua-Neuguinea tätig waren, nach Deutschland zurückkehrten. Durch sie kam Goerling in Kontakt mit "Wycliff" - einer evangelikalen Organisation, die sich für die weltweite Verbreitung der Bibel einsetzt und sich dabei auf Sprachen konzentriert, die noch keine Schrift besitzen. Immerhin 2.000 hat die mit Spenden finanzierte Organisation eigenen Angaben zufolge ausgemacht. "Da hat mich Gott bei meinem Interesse gepackt und mich wieder bekehrt", erinnert sich Goerling.

1984 reiste er schließlich an die Elfenbeinküste. In den folgenden zwölf Jahren entwickelte er mit einem US-Amerikaner und zwei Julas ein Alphabet für die westafrikanische Sprache, die vor allem von Muslimen gesprochen wird, und begann mit der Bibelübersetzung. Kein leichtes Unterfangen: Jula ist eine Tonsprache wie das Chinesische. "Ba" beispielsweise kann je nach Tonlage "Ziege", "Fluss" oder "Mutter" bedeuten.

Oft kennt die Sprache bestimmte Wörter nicht, so wie "Tempel". Also einigte man sich auf die Umschreibung "großes Gottesanbetungshaus". Außerdem könne Gott in Jula nicht mit etwas Abstraktem gleichgesetzt werden, sagt Goerling. Bei einem Satz wie "Gott ist die Liebe" ist daher Kreativität gefragt. Das Jula-Übersetzungsteam löste die Passage schließlich mit "Gott tut alles mit Liebe" auf.

"Einem ganzen Volk die Bibel zu öffnen - das ist doch was"

Nach Angaben der Initiative "Weltbibelhilfe" der Deutschen Bibelgesellschaft in Stuttgart, die mit "Wycliff" eine lose Zusammenarbeit pflegt, ist die vollständige Bibel bislang in 469 Sprachen übersetzt. In weiteren 2.058 Sprachen gibt es nur das Neue Testament oder einzelne biblische Bücher. "Mit allen Übersetzungen erreichen wir derzeit die Hälfte der Menschheit", sagt Tobias Keil, Referent der Weltbibelhilfe.

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Eine Bibelübersetzung dauert rund zwölf Jahre, wie Keil erklärt. Die Bibel sei häufig das erste Buch, das in eine Sprache übersetzt werde. "Wycliff" konzentriere sich dabei eher auf kleinere Sprachgruppen, während der Weltverband der Bibelgesellschaften sich üblicherweise zunächst Sprachen vornehme, die von mehr als 100.000 Menschen gesprochen wird, sagt Keil.

Was die Arbeit der Bibelgesellschaft und die von "Wycliff" unterscheidet, ist der Missionsgedanke. Die Weltbibelhilfe wird laut Tobias Keil nur aktiv, wenn sie von der Kirche eines Landes um eine Bibelübersetzung gebeten wird. Das Selbstverständnis von Wycliff, wie es auf der Homepage nachzulesen ist, ist da schon offensiver: "Wir sind überzeugt, dass Gott als Initiator der Mission seiner Gemeinde den Auftrag gegeben hat, alle Völker der Erde mit dem Evangelium zu erreichen." Wycliff sieht sich in der Aufgabe, diesen Missionsauftrag mitzuerfüllen.

Für Fritz Goerling geht im kommenden Jahr ein großes Kapitel seines Lebens zu Ende. Das Neue Testament ist inzwischen fertig in Jula übersetzt, 2012 soll dann die gesamte Bibel veröffentlicht werden. "Da reise ich natürlich an die Elfenbeinküste", sagt Goerling. "Einem ganzen Volk die Bibel zu öffnen - das ist doch was".

epd