Wenn der 61-jährige Franke am 3. Dezember im ZDF zum 151. und letzten Mal "Wetten, dass..?" präsentiert, endet auch die Ära der großen Samstagabend-Unterhalter im deutschen Fernsehen – Männer wie Hans-Joachim Kulenkampff, Peter Frankenfeld, Rudi Carrell oder eben Thommy Gottschalk, die mit einem Mix aus Grandezza und Schnoddrigkeit das Publikum bannen konnten. An ihre Stelle sind biedere Unterhaltungsdienstleister wie Kai Pflaume, Jörg Pilawa oder Olli Geissen gerückt, die auf keinen Fall anecken wollen. Bei Gottschalk konnte man sich wenigstens noch aufregen – über seine Paradiesvogelkleider, seinen Humor, seine Gummibärchen oder seine Schwäche für leichtgeschürzte Damen.
Die öffentlichen Spekulationen darüber, wer Thomas Gottschalk nachfolgen könnte, haben zweierlei klargemacht: Dass die Sendung einen enormen Stellenwert hat und dass der 61-Jährige der letzte Mohikaner der TV-Unterhaltung ist. Denn so viele Namen auch genannt wurden, bei näherem Hinsehen überzeugt außer Hape Kerkeling, der bekanntlich absagte, kaum jemand. Wer hat schon die Gabe, in irgendeiner Veranstaltungshalle irgendwo in Deutschland ein Feuerwerk aus Starauftritten und Albernheiten zu zünden, über das die Republik am nächsten Tag spricht? Die Schar gescheiterter Showmaster wie Cherno Jobatey ("Verstehen Sie Spaß?") oder Jörg Kachelmann ("Einer wird gewinnen") zeigt, dass mehr dazugehört als ein bekanntes Gesicht und ein gutsitzender Anzug.
Gottschalk war "Wetten, dass..?" - und umgekehrt
Das ZDF will sich mit der Bekanntgabe des Nachfolgers Zeit lassen, das Krisenmanagement des Senders wirkt wenig geglückt. Von Anke Engelke über Barbara Schöneberger oder Bully Herbig bis Joko und Klaas wurde inzwischen so ziemlich jeder Name mal genannt. Doch ein Moderator nach dem anderen betonte öffentlich, er habe kein Interesse, bis man den Eindruck haben konnte, bei der Wettshow handle es sich um ein besonders ekliges Stück Gammelfleisch. Dabei hatte die November-Ausgabe mit dem spektakulären "Nein, ich möchte nicht"-Auftritt von Hape Kerkeling stattliche 9,93 Millionen Zuschauer: "Wetten, dass..?" leidet zwar seit geraumer Zeit an Quotenschwund, dies aber auf hohem Niveau.
Thomas Gottschalk sagte unlängst, es gebe durchaus geeignete Nachfolger, derjenige müsse es halt nur anders machen als er. Er selber ist mittlerweile so symbiotisch mit seiner Show verschmolzen wie einst Rudi Carrell mit "Am laufenden Band". Als blondgelockter Sonnyboy mit kecken Sprüchen hatte er sich im TV einen Namen gemacht, ehe er 1987 das sechs Jahre zuvor gestartete Showformat "Wetten, dass..?" von Frank Elstner übernahm. Der hatte seine Gäste noch hinter kleine Gatter in dunkelbrauner Schrankwandoptik gezwängt – die Wettcouch kam erst später.
Seitdem hat Gottschalk mit einer kleinen Unterbrechung (nach der Wende präsentierte Wolfgang Lippert neun Ausgaben) die Show moderiert und der TV-Nation etliche kollektive Erinnerungen beschert: Thommys Tauchbad in einem Senfbottich, der Skandal um den Betrug bei der Buntstiftwette und sein Streit mit Götz George. Oder Karlheinz Böhms legendäre Benefizwette für Afrika, das durchsichtige Kleid von Popsternchen Sarah Connor und internationale Gäste wie Michael Jackson, Bill Gates oder Tom Hanks. Das chronische Überziehen der Sendezeit wurde zur Geduldsprobe für alle Zuschauer, die auf das "Aktuelle Sportstudio" warteten. Michelle Hunziker brachte als blonde Wettfee 2009 neuen Charme in die Show, aber "Wetten, dass..?" blieb immer die Tommy-Show.
Der Wechsel zur ARD ist nur eine Coda zum Hauptwerk
Über kleine oder große Skandale und Missgeschicke hat Thomas Gottschalk, seines Zeichens staatlich geprüfter Grund- und Hauptschullehrer, in all den Jahren souverän hinwegmoderiert. Bis zum 4. Dezember 2010: Damals stürzte der Student Samuel Koch beim Versuch, mit sogenannten Powerjumpern über ein auf ihn zufahrendes Auto zu springen, und verletzte sich schwer, der heute 24-Jährige ist seitdem querschnittsgelähmt.
Gottschalk brach die Livesendung ab und verkündete in der darauffolgenden Ausgabe der Show seinen Abschied von "Wetten, dass..?". Am 3. Dezember, fast auf den Tag genau ein Jahr nach dem Unglück, moderiert er das traditionsreiche Spektakel nach 24 Jahren zum 151. und letzten Mal. Dass der TV-Star ab Januar im Ersten eine kleine Vorabendsendung moderieren will – geschenkt: Als Fan von Barockmusik würde Gottschalk das Engagement vermutlich als Coda bezeichnen, als angehängten Ausklang eines Werks.
Cornelia Wystrichowski ist freie Medienjournalistin in Berlin.