Iran gegen den Rest der Welt: Die Nerven liegen blank
Der Iran ließ sich jahrelang nicht in seinem Atomprogrammen beirren. Jetzt hat Europa genug und schnürt ein Paket neuer Sanktionen, das es in sich hat. Und Israel droht weiter mit der Faust. Ermittlungen zu iranischen Anschlagsplänen in Deutschland erbrachten keine Indizien.
02.12.2011
Von Dieter Ebeling

Irgendwie kam eine schlechte Nachricht zur anderen. Erst der Bericht der Internationalen Atombehörde IAEA, der Iran habe zumindest in der Vergangenheit an Atomwaffen gearbeitet. Dann die Erstürmung der britischen Botschaft in Teheran und ein eher lauwarmes, pflichtschuldiges Bedauern der Mullahs. Gleichzeitig zunehmende Anzeichen dafür, dass Teheran das Horror-Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad stützt.

Und in Deutschland bestätigt der Generalbundesanwalt erst, es bestehe der Verdacht, dass der Iran Anschläge in Deutschland vorbereite. Am Abend erklärt die Behörde: Dafür gibt es überhaupt keine Anhaltspunkte.

EU schnürt Sanktions-Paket für Teheran - Israel droht

Vor diesem Hintergrund war es für die Außenminister der Europäischen Union gar nicht mehr so schwer wie bisher, sich immerhin grundsätzlich auf wirklich schmerz- und ernsthafte Sanktionen gegen den Iran zu einigen. Nun sollen Öleinfuhren aus dem Iran in die EU verboten werden. Und zugleich sollen die iranischen Banken vom westlichen Finanzsystem abgeschnitten werden. Auch im Transportbereich - gemeint ist der Luftverkehr - soll es Einschnitte geben. Genaueres muss noch ausgetüftelt werden.

Das ist eine neue Dimension im seit Jahren dauernden Kräftemessen mit dem Iran. Im Vertrauen auf das Gute, das sie auch in der iranischen Führung zu wecken hoffte, war die EU dieser Konfrontation bislang ausgewichen. Aber an diesem Tag in Brüssel wurde eher am Rande noch zur Kenntnis genommen, dass Israels Verteidigungsminister Ehud Barak verkündete, Israel werde notfalls auch vor einem Krieg gegen den Iran nicht zurückschrecken. Oder dass der deutsche Generalbundesanwalt mitteilte, er ermittele wegen des Verdachts, der Iran habe Terroranschläge auf die US-Truppen in Deutschland geplant - was sich später als überholt herausstellte.

Die EU-Außenbeauftragte und auch der deutsche Außenminister Guido Westerwelle betonten mehrfach, es gebe keinerlei Zusammenhang zwischen der neuen Härte bei Iran-Sanktionen und der Erstürmung der britischen Botschaft in Teheran durch "Hooligans oder wer das auch immer sein mag" (Schwedens Außenminister Carl Bildt). Einmal gehe es ums Atom, ein anderes Mal hingegen um die Wiener Konvention und den dort vorgeschriebenen Schutz von Botschaften. In der Tat hatte es schon seit der Veröffentlichung des IAEA-Berichtes in Brüssel eine lebhafte Diskussion um die Frage gegeben, was der EU nun überhaupt noch an Sanktionen einfallen könne, um den Iran am Bau einer Atombombe zu hindern.

Sanktionen auch aus den USA

Doch in Brüssel gilt stets, dass zumindest in schwierigeren politischen Fragen meist doch wieder alles mit allem zusammenhängt. Und so war es auch der britische Außenminister William Hague, der einen engen Zusammenhang zwischen der beinharten iranischen Führung und dem Assad-Regime herstellte. In Wirklichkeit, so seine These, gehe es um die Folgen des "arabischen Frühlings", vor denen Assad mindestens ebenso viel Angst habe wie die Mullahs. Teheran stütze Damaskus, um daheim neue Demonstrationen für Demokratie zu verhindern.

Vor diesem Hintergrund hatte die Entscheidung, auch die Sanktionen gegen Syrien deutlich zu verschärfen und zum Beispiel die Lieferung von Geräten für die Öl- und Gasindustrie zu verbieten, auf Umwegen auch wieder mit dem Iran zu tun. Dabei genossen die EU-Außenminister, dass sie im Umgang mit Syrien dank der arabischen Demokratiebewegung nicht mehr so alleine dastehen wie das noch vor einem Jahr der Fall gewesen wäre. Mit der Arabischen Liga, die sich überraschend eindeutig gegen Assad stellte und diesen politisch in Acht und Bann legte, hatten die Europäer einen wichtigen Verbündeten. Demokratie sei keineswegs nur ein westliches Anliegen, hieß es.

Auch für die Sanktionen gegen Iran haben die Europäer Verbündete gefunden. In den USA, derzeit mitten im Vorwahlkampf, hat der US-Senat ebenfalls neue Sanktionen beschlossen: Unternehmen oder Geldhäusern, die mit der iranischen Notenbank zusammenarbeiten, soll der Zugang zum US-Markt verwehrt werden. Damit setzten sich die US-Parlamentarier über die Bedenken des Weißen Hauses hinweg: Sanktionen könnten Auswirkungen auf den Ölpreis und auf die US-Wirtschaft haben und die internationale Front gegen das iranische Atomprogramm schwächen, hieß es aus Obamas Amtssitz.

"Inakzeptables Verhalten" des Iran

"Das Verhalten des Irans ist inakzeptabel und stellt eine Gefahr für die Vereinigten Staaten und die gesamte Welt dar", begründete dagegen der demokratische Mehrheitsführer, Harry Reid, das Votum der Abgeordneten. Der Senat verabschiedete außerdem auch einen Gesetzentwurf über milliardenschwere Verteidigungsausgaben und Richtlinien zum Umgang mit Terrorverdächtigen. Die Vorlage sieht Ausgaben über 662 Milliarden Dollar (490 Milliarden Euro) für das am 1. Oktober begonnene Haushaltsjahr 2012 vor, unter anderem für die Kriege im Irak und in Afghanistan. Das sind 43 Milliarden Dollar weniger als das Pentagon in Vorjahr erhalten hatte.

 

Trotz der Differenzen zwischen Regierung und Parlament in den USA über die Sanktionen nimmt das US-Außenministerium die Drohungen möglicher Anschläge auf US-Soldaten in Deutschland ernst. Die Bundesanwaltschaft betonte zwar, sie habe keine Indizien für konkrete Planungen von Anschlägen vorliegen. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Mark Toner, sagte aber: "Teheran hat immer wieder gezeigt, dass man internationale Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten nicht respektiert." Man habe schließlich erlebt, wie der Iran einen Anschlag gegen den saudischen Botschafter in den USA geplant habe. Diese Woche nun sei der Angriff auf die britische Botschaft gefolgt.

Näher wollte sich Toner jedoch nicht äußern und verwies auf die deutschen Behörden. Die erklärten, die Bundesanwaltschaft führe ein Ermittlungsverfahren gegen einen Beschuldigten wegen des "Verdachts der Agententätigkeit zu Sabotagezwecken". Bei dem Beschuldigten habe eine Durchsuchung stattgefunden - dabei sei jedoch nichts gefunden worden, was den Anfangsverdacht hätte erhärten können. Ein Haftbefehl erging nicht. Der Chef des Bundeskriminalamts (BKA) Jörg Ziercke betonte, es bestehe keine unmittelbare Gefahr.

dpa