Missbrauchsopfer erhalten 100 Millionen Euro
Der Runde Tisch Kindesmissbrauch hat seine Arbeit beendet. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) kündigte nach der letzten Sitzung des Gremiums am Mittwoch in Berlin an, der Bund wolle Hilfen im Umfang von 100 Millionen Euro zur Hälfte finanzieren. Die weitere Finanzierung solle demnächst mit den Ländern beraten werden. Der Runde Tisch verabschiedete einstimmig einen Abschlussbericht, der zahlreiche Empfehlungen und Beschlüsse enthält.

Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) sagte, der Runde Tisch habe einen ersten Schritt zu einer "Kultur der Aufmerksamkeit" gemacht. "Das Schweigen ist gebrochen", sagte sie. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) ergänzte: "Wir sind nicht am Ende unserer Anstrengungen angelangt." Der große Teil der Arbeit sei noch zu tun. Kinderschutz müsse immer neu erkämpft werden. In einem Jahr will der Runde Tisch erneut tagen, um die Umsetzung der Beschlüsse zu überprüfen.

Das 60-köpfige Gremium beschloss, dass Betroffene Hilfen wie etwa Therapien in Höhe von maximal 10.000 Euro finanziert bekommen. Zudem sollen Missbrauchsopfer länger als bisher die Möglichkeit erhalten, auf Schadensersatz zu klagen. Die zivilrechtliche Verjährungsfrist soll von derzeit drei auf 30 Jahre verlängert werden.

Polizei und Staatsanwaltschaft zügig einschalten

In Leitlinien für Institutionen wird festgelegt, dass Polizei und Staatsanwaltschaft im Verdachtsfall möglichst schnell einzuschalten sind. Einrichtungen wie Schulen oder Sportvereine sollen künftig nur dann staatlich gefördert werden, wenn sie mit dem öffentlichen Träger Vereinbarungen zur Prävention geschlossen haben. Das Bundesforschungsministerium fördert über drei Jahre Forschungsprojekte zu sexualisierter Gewalt mit 30 Millionen Euro.

Die Bundesinitiative der Betroffenen von sexualisierter Gewalt kritisierte die finanzielle Begrenzung der Hilfsmaßnahmen. Betroffene bräuchten oft über viele Jahre hinweg Hilfe. Zudem forderte die Initiative einen Ausbau des Beratungsnetzwerks.

Der Missbrauchsbeauftragte der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Stephan Ackermann, sagte, der Runde Tisch habe das Signal gesetzt, dass das Thema sexueller Missbrauch die ganze Gesellschaft angehe. Die Arbeit in dem Gremium sei stets sehr konstruktiv gewesen. Die Vertreter der katholischen Kirche seien respektvoll behandelt worden. Mit dem Abschlussbericht seit das Thema nicht erledigt.

"Kein Schlusspunkt, sondern Anfang"

Das betonte auch der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Prälat Bernhard Felmberg: "Die letzte Sitzung des Runden Tisches ist kein Schlusspunkt, sondern ein Anfang: Jetzt muss sich bewähren, was auf den Weg gebracht wurde." Der Runde Tisch habe wesentliche Fortschritte im Blick auf die Sensibilisierung der Gesellschaft für das Thema sexualisierte Gewalt erzielt. Wichtig sei auch, dass die Arbeit der unabhängigen Beauftragten fortgeführt werde.

Der Runde Tisch habe trotz einiger Schwachstellen gute Arbeit geleistet, sagte die Grünen-Bundestagsabgeordnete Ekin Deligöz, die Mitglied in dem Gremium war. Jetzt müsse die Umsetzung der Hilfen angegangen werden. Die kinderpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Diana Golze, sagte, der Abschlussbericht setze in vielen Bereichen neue Maßstäbe und zeige an anderen Stellen die Schwachpunkte der Kinderschutzsysteme in Deutschland. Die Leiterin der Kölner Beratungsstelle "Zartbitter", Ursula Enders, sagte hingegen: "Das Ergebnis ist mager." Insbesondere bemängelte Enders im Deutschlandfunk, dass zu wenig zum Ausbau des Beratungsangebots vereinbart worden sei.

Der Runde Tisch war im Frühjahr vergangenen Jahres von der Bundesregierung als Reaktion auf den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche berufen worden. Ihm gehörten rund 60 Vertreter aus Bund, Ländern und Kommunen, Fachverbänden, den Kirchen und Schulen, aus Sport und Wissenschaft sowie einige Betroffene an.

epd