"Neue Chance zum Glück", 2. Dezember, 20.15 Uhr im Ersten
Der Freitagsfilm im "Ersten" ist seit geraumer Zeit einem deutlichen Wandel unterworfen. Herz reimt sich zwar immer noch auf Schmerz, aber die Konflikte sind deutlich lebensnäher, die Geschichten weniger rührselig. Und mitunter geht es auch nicht darum, sich zu finden, sondern sich zu trennen. Brigitte Blobel (Buch) und Donald Kraemer (Regie) erzählen in "Neue Chance zum Glück" von der ganz normalen Familie Cremer, die gerade in den verdienten Urlaub aufbrechen will, als ein Anruf dazwischen kommt: Der Vater von Merrit (Sonsee Neu) musste ins Krankenhaus. Sie schickt die Familie in die Ferien und fährt statt dessen zu den Eltern in die Eifel.
Berrits Mutter wird vom Fernweh gepackt
Weil tags zuvor Merrits beste Freundin Bea (Sandra Borgmann) ihren Job verloren hat, darf sie mit; nicht in die Eifel, sondern nach Italien. Und weil Merrits Mann Immo (Mathias Herrmann) seiner Begleiterin schon auf der Fahrt buchstäblich aus der Hand frisst, ahnt man, wie zumindest dieser Teil der Handlung weitergehen wird. Der andere ist allerdings interessanter, was vor allem daran liegt, dass die Eltern der Heldin von Jutta Speidel und Reiner Schöne gespielt werden: Iris und Christian zogen einst von einem Entwicklungshilfeprojekt zum nächsten, sind jedoch vor zwei Jahrzehnten als Jugendherbergseltern sesshaft geworden. Seit geraumer Zeit wird Iris jedoch vom Fernweh gepackt. Sie will unbedingt wieder auf Reisen gehen; ob mit oder ohne Christian.
Neben Speidel und Schöne ist der Drehort eine weitere Attraktion des Films: "Neue Chance zum Glück" ist größtenteils auf der Wildenburg entstanden, einer 900 Jahre alten Eifeler Höhenburg im Kreis Euskirchen und eine der wenigen noch existierenden Bauten dieser Art. Die Burg wird tatsächlich für Feriengruppen genutzt. Und während sich Immo im fernen Italien von Bea vernaschen lässt, lernt Merrit den netten Dag (Kai Scheve) nennen, der als Organisator von Jugendfreizeit Stammgast auf der Burg ist. Kurz drauf findet sich allerdings die gesamte Familie Cremer auf der Burg ein, denn Merrits kleine Tochter hat den Vater mit Bea im Bett erwischt und ist darob entsprechend schockiert; doch Immo hat noch mehr Dreck am Stecken.
Kraemer inszeniert den Film angenehm unaufgeregt und realistisch. Die Figuren sind nicht überhöht, die Ereignisse nicht aufgebauscht; ganz normale Szenen einer Ehe und nicht minder normale Auseinandersetzungen zwischen Mutter und Tochter, die gänzlich unterschiedliche Erinnerungen an Merrits Kindheit haben. Dankenswerterweise hat niemand versucht, die Geschichte krampfhaft zu einem guten Ende zu bringen.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).