TV-Tipp des Tages: "Requiem" (BR)
Abrechnung mit den frühen Siebzigern: Während in den Städten der Aufbruch gefeiert wurde, herrschte in der Provinz vielerorts immer noch eine bigotte Frömmelei wie aus einem anderen Jahrhundert.
25.11.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Requiem", 29. November, 21.45 Uhr im Bayerischen Fernsehen

Was für eine trostlose Geschichte! Und welch’ bittere Abrechnung mit den frühen Siebzigern, einer Zeit übrigens, die Regisseur Hans-Christian Schmid (Jahrgang 1965) nur als Grundschüler erlebt hat. Um so verblüffender ist seine genaue Beobachtung jener Jahre gerade auf dem Land: Während in den Städten der Aufbruch gefeiert wurde, herrschte in der Provinz vielerorts immer noch eine bigotte Frömmelei wie aus einem anderen Jahrhundert. In diesem Klima ist Schmids Hauptfigur aufgewachsen.

Raus der Enge der schwäbischen Heimat

Dass all das, was Schmid und sein Koautor Bernd Lange schildern, authentisch ist, macht die Geschichte um so bedrückender: Die junge Michaela (Sandra Hüller in ihrer ersten Rolle) will endlich raus der Enge ihrer schwäbischen Heimat und in Tübingen studieren. Die tiefgläubigen Eltern lassen sie nur ungern gehen: Michaela hat epileptische Anfälle. In Tübingen gelingt ihr der ersehnte Ausbruch, doch sie erleidet immer wieder Rückfälle. Weil sie Stimmen hört und den Glauben verliert, überredet ein Priester ihre Eltern, einen Exorzismus vornehmen zu nehmen.

Das tragische Ende liegt von Beginn an in der Luft, weshalb die Geschichte ohnehin recht freudlos ist. Ausgerechnet die ausgezeichneten Leistungen der Schauspieler (neben der eindrucksvollen Hauptdarstellerin allen voran Imogen Kogge und Burghart Klaußner als Eltern) aber geben der Sehfreude den Rest. Für diesen Film muss man gewappnet sein.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).