"Bella Block: Stich ins Herz", 26. November, 20.15 Uhr im Zweiten
Wenn der Krimi beginnt, ist das Opfer in der Regel bereits tot. Die Kommissare reagieren gefasst, Mord ist schließlich Alltag; jedenfalls im Fernsehen. Die ZDF-Reihe "Bella Block" aber funktionierte schon immer etwas anders, was nicht nur, aber auch mit der Hauptfigur und ihrer Darstellerin Hannelore Hoger zusammenhängt. "Stich ins Herz" ist der dreißigste Fall für die mittlerweile außerdienstlich agierende Ermittlerin. Während die ersten Bilder in Zeitlupe zeigen, wie sich die frühere Hauptkommissarin gemeinsam mit dem Staatsanwalt (Hansjürgen Hürrig) an einem Tatort umschaut, hört man ihre Stimme. Sie schildert, wie schwer es ihr mittlerweile falle, Distanz zu den Opfern zu wahren. Sie sei mit dem Alter verwundbarer geworden; jeder Tote erzähle ihr seine Geschichte.
Bella kannte Caro
"Stich ins Herz" ist die Geschichte von Caro (Annika Blendl), einer hübschen jungen Frau, die einen verheirateten Mann geliebt hat und von ihm schwanger war. Beide freuten sich auf das gemeinsame Kind, er wollte seine Frau verlassen. Nun ist Caro tot, ein Messer steckt in ihrem Herzen, und warum der Stich auch Bella Block zutiefst verletzt hat, beschreibt Stephan Wagner (Buch und Regie) in einer langen Rückblende, die auf die ersten Szenen folgt: Bella kannte Caro, seit die als Kind ihre Eltern verloren hatte. Sie war die Nichte von Bellas bester Freundin (Maren Kroymann), die sich fortan um sie kümmerte; Bella wurde auf diese Weise so etwas wie eine Tante. Und man lernt nicht nur die erwachsene Caro kennen, sondern auch ihren Freund Max (Sebastian Koch), der ihr offenbar nichts vorgemacht hat. Allerdings hat seine Frau Anja (Anna Schudt) durch Zufall von dem Verhältnis erfahren, als sie Max sein vergessenes Telefon bringen wollte. Die Erkenntnis hat sie derart erschüttert, dass sie völlig verwirrt mit ihrem Auto Bellas Käfer gerammt hat. Dann schließt sich der Kreis, und die tote junge Frau ist kein anonymes Opfer mehr, sondern ein Mensch, der voller Zuversicht in die Zukunft schaute.
Entsprechend bewegend sind die Bilder, als Bella und der Staatsanwalt erneut zum Tatort kommen. Es ist die gleiche Szene wie beim ersten Mal, aber das Vorzeichen hat sich komplett gewandelt. Auch der Film beginnt ein zweites Mal, denn natürlich hat Bella ein besonderes Interesse daran, den Mörder zu finden. Bauleiter Max und seine Frau haben beide ein Alibi: Sie hat sich bei dem Unfall verletzt, er hat sie ins Krankenhaus gebracht und ist von dort gleich zur Baustelle gefahren. Anja hat ohnehin einen Filmriss, sie kann sich an nichts mehr erinnern. Allerdings wird sie immer wieder von Panikattacken heimgesucht, was Wagner nutzt, um sich effektvoll beim Psychothriller zu bedienen, wenn wie aus dem Nichts plötzlich Caro neben ihr steht.
Natürlich spielt auch Bellas früherer Assistent Martensen (Devid Striesow) eine Rolle, und auch der schnöselige Ex-Chef (Jörg Hartmann) hat zwei, drei markante Auftritte. Da Max als Bauleiter auf der neuen Elbphilharmonie arbeitet, gibt es zudem einen recht reizvollen Drehort. Ein rundum gelungener und würdiger Jubiläumsfilm.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).