Givebox: Geben und Nehmen in der Nachbarschaft
Seit ein Berliner die erste Givebox für gebrauchte Gegenstände an die Straße stellte, ist über Facebook ist eine Tauschbewegung entstanden. Das Interesse an den Initiativen wächst, weil sich immer mehr Bürger an der Wegwerfmentalität reiben.
25.11.2011
Von Miriam Bunjes

Elisabeth Pape-Kunyapa schaut durch die Bücherreihen: Agatha Christie Krimis, Strickanleitungen, Malbücher. "Das ist sicher spannend", sagt die 67-Jährige und verstaut das Buch "Jan Philipp Reemtsma: Im Keller" in ihrer Handtasche. Ein Portemonnaie muss die Rentnerin nicht herausholen: Es ist ein Geschenk an sie, von jemandem, der es nicht mehr braucht. Auch sie hat etwas zu geben: Ein Salz-und-Pfeffer-Streuer-Set aus Edelstahl, original verpackt.

Elisabeth Pape-Kunyapa stellt ihre Gabe in das Regal der ersten Düsseldorfer Givebox im ehemaligen Arbeiterstadtteil Flingern, neben eine geblümte Vase und einen Stapel braun-beiger Kissenbezüge aus den 60er Jahren. "In meinem Alter hat man so viele Sachen, die man nicht mehr braucht", sagt sie. "Ich trenne mich gerne von ihnen, und kann hier jemandem damit etwas Gutes tun." Einfach so, auf dem kurzen Weg von ihrer Wohnung zum Supermarkt.

"Alle, die mitmachen, sind für die Box verantwortlich"

2,10 Meter hoch, 1,40 Meter breit und 1,10 Meter tief: Die hölzerne Givebox hat in etwa die Maße einer Telefonzelle. Einige Regalbretter, ein paar Kleiderhaken: ein begehbarer Schrank an einer Straße zwischen Spielplatz und Bushaltestelle. Die Idee dahinter: Jeder kann geben, jeder kann nehmen. Tauschobjekte, die nach zwei Wochen noch da sind, sollen wieder mitgenommen werden. Und: der Weiterverkauf der eingetauschten Gegenstände ist nicht erwünscht, weil es die Idee des Schenkens untergräbt. Alle sollen das Gästebuch bei Facebook oder in Papierform benutzen, um "Bitte" und "Danke" zu sagen, lautet eine weitere Regel.

[listbox:title=Mehr im Netz[Das Projekt Givebox auf Facebook##Givebox Düsseldorf]]

Weil sich die meisten von Anfang daran gehalten haben, hat sich die Givebox-Idee von Berlin-Mitte in andere Städte ausgebreitet. "Ich habe bei Facebook von Andreas aus Berlin gelesen", sagt Silke Roggermann, eine der Düsseldorfer Initiatorinnen. Sie ist 39 Jahre alt und wohnt in Flingern. "Eine Givebox ist ein Nachbarschaftsprojekt. Deshalb steht da nicht eine Person oder ein Verein dahinter. Alle, die mitmachen, sind für die Box verantwortlich", sagt sie. Deshalb will sie nicht im Mittelpunkt stehen. Allerdings waren schon Fernsehteams in Düsseldorf und in Berlin. Deshalb flimmerte der Erfinder Andreas Richter schon international über die Bildschirme, wo er doch eigentlich nur seinen Krempel loswerden wollte.

Weil aber Tausende die Facebook-Seite lasen, auf der von der Bauanleitung zum Nachbauen bis zur Regel-Liste zum Ausdrucken alles über das Projekt steht, ist seine Idee seit August zur Bewegung geworden. In Deutschland gibt es zurzeit elf Giveboxen: fünf in Berlin, drei in Hamburg, zwei in Düsseldorf und eine in Würzburg. In Düsseldorf sollen es schon bald vier sein, in Münster, Aachen, Frankfurt und Marburg wird bereits geplant. Ebenso in Wien, San Francisco, Kopenhagen und Paris.

"Die Wegwerfgesellschaft stört immer mehr"

"Der Zeitgeist verändert sich: die Wegwerfgesellschaft stört immer mehr", sagt Roggerkamp, deren Team schon von einer Box auf der noblen Düsseldorfer Kö träumt: "Das wäre ein super Zeichen gegen den Konsum." 200 Euro hat die Box gekostet, das Geld wurde gespendet. Um eine Genehmigung bei der Stadt hat sich keiner gekümmert. "Deshalb ist es wichtig, dass hier keiner Müll ablädt oder zu große Dinge davor abstellt", erläutert Roggermann und lobt den pfleglichen Umgang mit der Box: "Sie ist fast immer aufgeräumt." Als eimal doch ein Sofa davorstand, schrieb Roggerkamp: "Bitte wegräumen" auf Facebook - zwei Stunden später war das sperrige Möbelstück verschwunden.

Ein alter Mann betrachtet die Salzstreuer, die Elisabeth Pape-Kunyapa gehörten. "Super Weihnachtsgeschenk", sagt er und geht. Zu geben hat er nichts. Heute nicht. Aber er schreibt "Danke" ins Gästebuch. Die meisten machen das auf Facebook: "Tolles Projekt, mache mit und sage es weiter. Und danke für die Kaffeemaschine!"

epd