Zwischen Liebe, Ohnmacht und häuslicher Gewalt
Geschlagen in der eigenen Wohnung: In Deutschland fliehen jedes Jahr Tausende Frauen vor ihrem Partner in ein Frauenhaus. Andere verweigern ihm mit polizeilicher Hilfe den Zutritt zur Wohnung. Reuige Gewalttäter machen ein soziales Training.
25.11.2011
Von Frank Leth

Die Drohung war unmissverständlich. Der Axthieb ihres betrunkenen Lebensgefährten ging direkt neben dem Kopf von Barbara S. in die Wohnzimmerwand. "Das nächste Mal trifft es dich", drohte ihr Lebensgefährte Werner. Doch ein nächstes Mal sollte es nicht geben. Die 36-Jährige aus dem hessischen Alsfeld rief die Polizei.

Diese sprach zum Schutz der Frau einen 14-tägigen polizeilichen Platzverweis gegen Werner S. aus: Er musste die Wohnung verlassen und durfte zwei Wochen lang nicht zurückkommen. Die Beamten empfahlen ihm zudem ein soziales Training gegen häusliche Gewalt. Der 39-Jährige stimmte schließlich zu, dass sich die Beratungsstelle "DIA log" vom Diakonischen Werk Vogelsberg mit ihm in Verbindung setzt. Er wolle auf jeden Fall die seit einem Jahr dauernde Beziehung aufrecht erhalten, bekannte Werner S. Seine Partnerin sei seine erste Freundin, er wolle sie nicht verlieren.

"Viele Täter häuslicher Gewalt haben oft gar nicht gelernt, wie sie Konflikte gewaltfrei austragen können. Laufen Beziehungsprobleme aus dem Ruder, erleben sich die Täter oft selbst ohnmächtig und schlagen zu," sagt Peter Leiding, Sozialpädagoge bei "DIA log". In 75 Prozent aller Fälle seien sie früher selbst Opfer von Gewalt gewesen. "Das entschuldigt natürlich nicht die eigenen Taten", sagt Leiding.

Beratungsprogramm gegen häusliche Gewalt

In der Beratung sei es wichtig, dass die Täter ihre Gefühle und Verhaltensmuster erkennen. Nur so gebe es eine gute Chance, künftige Gewalttaten zu verhindern. Und der Erfolg gibt der Täterarbeit recht. Nach US-Untersuchungen sinkt die Wiederholungsrate um die Hälfte, wenn Männer ein Beratungsprogramm gegen häusliche Gewalt abgeschlossen haben. "Mit Täterarbeit wird so auch zum Opferschutz beigetragen", sagt Leiding.

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Das Beratungsprogramm bei "DIA log" umfasst 20 eineinhalbstündige Einzelsitzungen, verteilt über ein halbes Jahr. Ein Gruppentraining von vier bis sieben Teilnehmern ist ebenfalls möglich. Dieses sieht dann 26 zweieinhalbstündige Sitzungen vor. Ein Teil der Täter nimmt freiwillig an dem Programm teil, bei anderen hat die Staatsanwaltschaft oder ein Gericht eine entsprechende Auflage gemacht.

Grundlage des Beratungsprogramms sind die Empfehlungen der "Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit". Der Verband hat konkrete Standards erarbeitet, wie ein soziales Training für Männer aussehen kann. "Zu uns können aber auch Frauen und Jugendliche kommen, die wegen ihrer eigenen Gewalttätigkeit Hilfe suchen", sagt Leiding.

Häusliche Gewalt kommt in allen Schichten und Altersgruppen vor. Sie geht zum überwiegenden Teil von Männern aus. Aber auch Frauen sind gegenüber ihren Partnern oder ihren Kindern gewalttätig. "In etwa 15 Prozent aller Fälle sind Frauen die Täterinnen, mit einer hohen Dunkelziffer", weiß der Sozialpädagoge.

Gefühls- und Verhaltensmuster erarbeiten

In der Beratung werden zuerst die Ziele des Kurses festgelegt. In einem schriftlichen Vertrag müssen sich die Hilfesuchenden zur Zusammenarbeit und auf konkrete Regeln verpflichten. "Dazu gehört beispielsweise das Versprechen, keine Gewalt mehr auszuüben", sagt Leiding. Der Täter müsse lernen, dass er für sein Handeln und damit auch für seine Gewalttaten zu 100 Prozent verantwortlich ist.

Der Täter soll sich außerdem in die Ängste und Gefühle des Opfers hineinzuversetzen. Aber auch eigene Gefühls- und Verhaltensmuster bei Konflikten werden erarbeitet. "Das Opfer kann auf eigenen Wunsch im Beratungsprogramm eingebunden werden", sagt Leiding. So können beide Partner sich auf neue Weise erleben und vielleicht wieder Vertrauen gewinnen.

Werner S. hat von seiner Freundin noch einmal eine Chance bekommen. Sie will sich nicht trennen und es noch einmal versuchen. "Da ist wohl doch noch Liebe im Spiel", sagt Leiding.

epd