Die in der Politik übliche 100-Tage-Schonfrist will die nordelbische Bischöfin Kirsten Fehrs nicht für sich in Anspruch nehmen. "Ich bin für zehn Jahre gewählt - das eröffnet viele Chancen und einen langen Atem", sagt sie in einem epd-Gespräch. "Ich habe große Lust auf mein neues Amt und seine Gestaltungsmöglichkeiten." Diese Zeit beginnt am Vortag des 1. Advent, passend zum Start in ein neues Kirchenjahr: Am Samstag wird die Theologin als Nachfolgerin von Bischöfin Maria Jepsen im Lübecker Dom eingeführt.
Als Bischöfin werde sie künftig knapp 30 Stunden pro Woche im Auto unterwegs sein, hat ihr Mitarbeiterstab ausgerechnet. Mindestens eine Stunde dauern allein die Fahrten zwischen ihrer Hamburger Kanzlei und dem Nordelbischen Kirchenamt in Kiel sowie zwischen ihren beiden Predigtstätten im Hamburger Michel und dem Lübecker Dom. Die Strecken in der künftigen Nordkirche Richtung Schwerin und Greifswald kommen bereits jetzt dazu. Sie will die Auto-Zeiten als "rollendes Arbeitszimmer" nutzen - Akten studieren, Sitzungen vorbereiten, lesen, schreiben und telefonieren.
Mehr Dialog und mehr Berührungspunkte
Die "dicksten Bretter" ihrer Amtszeit sieht Fehrs in der zunehmenden sozialen Spaltung der Gesellschaft, der Kinderarmut und der grassierenden Perspektivlosigkeit vieler junger Menschen. "Kirche hat keine Patentrezepte, aber immer wieder Impulse." Lösungen, sagt die Bischöfin, entstehen über Einsicht - und Einsicht wachse im Gespräch. Es gelte, Menschen zusammenzubringen und "Berührungspunkte" zu schaffen: "An gemeinsamen Punkten kann neue Energie entstehen."
Beispielhaft erscheint ihr dafür der "Runde Tisch St. Jacobi", den sie fünf Jahre lang an der Hamburger Citykirche St. Jacobi erlebte. "Hier trafen und treffen sich Geschäftsleute, Sozialarbeiter, Polizisten und Kirchenvertreter. Und allein dass sie sich trafen, vergrößerte das Verständnis füreinander."
Für zukunftsweisend hält Fehrs auch den interreligiösen Dialog, den schon ihre Vorgängerin Maria Jepsen in ihrer 18-jährigen Amtszeit stets gefördert hatte. "Wir müssen wahnhafte Fundamentalismen abbauen und gemeinsam die friedensliebenden Aspekte der Religionen herausstreichen und betonen", sagt Fehrs. Wesentlich sei dafür auch die Kenntnis der eigenen Religion. Darum seien die evangelischen Kitas und der Religionsunterricht "für alle" so wichtig.