Die Welt im Jahr 2100: Die Klimakatastrophe ist abgewendet, obwohl die Menschheit ungebremst Treibhausgase in die Atmosphäre bläst. Ein Riesenspiegel im Weltraum wirft einen Teil der Sonnenstrahlen zurück ins All. So ist dafür gesorgt, dass die Temperatur auf der Erde das vorindustrielle Niveau nicht um zwei Grad Celsius übersteigt.
Ein irrwitzig anmutendes Science-Fiction-Szenario - und doch haben sich Forscher bereits ernsthaft mit dieser Möglichkeit auseinandergesetzt. Der Riesen-Sonnenspiegel zählt zu einer Reihe von Vorschlägen, die Erderwärmung mithilfe großtechnischer Projekte zu stoppen. Diese Gedankenspiele - zusammengefasst unter dem Begriff "Geo Engineering" - sind wegen schwer abschätzbarer Folgen für die Umwelt und vermutlich immenser Kosten jedoch hochumstritten.
Es geht um den Plan B: Was macht die Menschheit, wenn sich die CO2-Emissionen nicht mindern lassen? Angesichts fruchtloser Klimaschutz-Bemühungen stellt sich die Frage immer dringlicher. Auch die kommende Weltklimakonferenz in Durban vom 28. November bis 9. Dezember wird voraussichtlich keine weitreichende Einigung zur Emissions-Begrenzung bringen.
"Geo Engineering": Die Frage nach dem Umgang mit CO2
Beim "Geo Engineering" verfolgen die Wissenschaftler im Wesentlichen zwei Ansätze. Zum einen loten sie die Möglichkeit aus, der Atmosphäre CO2 zu entziehen. Zum Beispiel könnten künstliche Bäume entlang von Straßen Kohlendioxid aus der Luft filtern und unterirdisch speichern. Eine zweite Gruppe von Vorschlägen zielt darauf ab, die Sonneinstrahlung zu verringern: etwa durch das Weißen von Dächern, gigantische Wüstenreflektoren, reflektierende Feldfrucht-Sorten, kleinste metallische Partikel in der Stratosphäre - oder eben riesige Spiegel im All.
Der Heidelberger Umwelt-Physiker Ulrich Platt geht zum Beispiel der Frage nach, ob sich die Erdtemperatur senken ließe, wenn feinste Schwefelteilchen - sogenannte Aerosole - in der Stratosphäre freigesetzt würden. "Es gibt Hinweise, dass es funktionieren könnte", sagt der Professor. Platt und seine Kollegen gehen unter anderem von Beobachtungen bei großen Vulkan-Ausbrüchen aus: Dabei werden Ascheteilchen und Schwefelpartikel bis zu 20 Kilometer hochkatapultiert, in der Folge dringt weniger Sonnenlicht zur Erde, die Temperaturen fallen.
Doch den gleichen Effekt künstlich zu erzeugen, etwa mit Hilfe von Flugzeugen oder Ballons, ist nicht einfach: "Sobald man ins Detail geht, gibt es große Problem", räumt Platt ein. Neben Schwierigkeiten bei der technischen Umsetzung drohen unerwünschte Nebenwirkungen, wie aus einem Positionspapier des Umweltbundesamtes hervorgeht: So könnten sich die Niederschläge verringern - fatal für Regionen, die ohnehin von Dürre geplagt sind.
Umweltschützer halten "Geo Engineering" für einen fortschrittsgläubigen Machbarkeitswahn
Unabsehbare Folgen für die Balance der Ökoysysteme werden bei vielen "Geo Engineering"-Vorschlägen befürchtet. Zum Beispiel bei der Düngung der Meere mit Eisen. Dadurch soll das Wachstum von Algen angeregt werden, die wiederum CO2 binden. Das Umweltbundesamt spricht bei den meisten Ansätzen von "erheblichen Risiken und Nebenwirkungen".
Umweltschützer lehnen "Geo Engineering" deshalb kategorisch ab, halten es für Ausdruck eines fortschrittsgläubigen Machbarkeitswahns. "Solche technischen Verfahren schaffen mehr Probleme als Lösungen", sagt Rüdiger Rosenthal, Sprecher des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): "Der technische Aufwand ist enorm, die Wirkung fraglich." Zum Teil werde mehr Treibhausgas produziert als eingespart. Zur Reduktion von Kohlendioxid gebe es im Kampf gegen den Klimawandel keine Alternative, unterstreicht Rosenthal.
Der Umwelt-Physiker Platt empfiehlt, die Forschung zu intensivieren, um die Chancen und Risiken des "Geo Engineerings" einschätzen zu können. Am Ende könnte nach den Worten des Professors durchaus die Erkenntnis stehen, "dass die Menschheit die Finger davon lassen sollte". Der Riesenspiegel ist vermutlich schon aus Kostengründen nicht realisierbar: Für eine Minderung der Sonneneinstrahlung um zwei Prozent wäre laut Umweltbundesamt ein Sonnenschild von etwa drei Millionen Quadratkilometern nötig.