Erneut Tote bei Protesten gegen ägyptischen Militärrat
In einer Woche sollen in Ägypten die ersten Wahlen seit dem Sturz des Mubarak-Regimes beginnen. Doch das Land wird von schweren Protesten gegen den regierenden Militärrat erschüttert. Wieder gibt es Tote und Verletzte.

Gut eine Woche vor Beginn der Parlamentswahlen in Ägypten sind am Sonntag bei neuen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften mehrere Menschen ums Leben gekommen und hunderte verletzt worden. Zusammenstöße wurden auch aus anderen ägyptischen Städten gemeldet, darunter Alexandria und Suez.

Gespannte Ruhe auf dem Tahrir-Platz nach Ausschreitungen

Nach den gewaltsamen Auseinandersetzungen am Wochenende herrschte auf dem Tahrir-Platz in Kairo am frühen Montag gespannte Ruhe. Die ägyptische Nachrichtenwebsite "Youm7" meldete, der Imam einer Moschee, die neben dem Platz liegt, habe zwischen den Demonstranten und den Sicherheitskräften vermittelt.

Die letzten verbliebenen Protestierenden zogen sich demnach auf die Platzmitte zurück. Wie viele Menschen am Wochenende auf dem Platz starben, der zum Symbol für den Aufstand gegen das Regime von Ex-Präsident Husni Mubarak geworden waren, ist noch nicht bekannt. In einigen Berichten war von vier, in anderen von bis zu acht Toten die Rede. Auch bei Protesten in Alexandria soll es Tote gegeben haben.

Proteste gegen Militärregierung

Mit Knüppeln und Tränengas versuchte Sicherheitskräfte, die Demonstranten vom Tahrir-Platz zu vertreiben. Auch Gummigeschosse sollen abgefeuert worden sein. Zurückgelassene Zelte und Motorräder der Protestierenden wurden von Sicherheitskräften in Brand gesetzt.

Die Demonstranten werfen den Militärs vor, die Macht nicht abgeben zu wollen. Auch in der Nacht zum Montag harrten nach Berichten des Nachrichtensenders Al-Dschasira noch Hunderte auf dem Tahrir-Platz aus. Viele von ihnen seien zurückgekehrt, nachdem sich die Sicherheitskräfte in die umliegenden Straßen zurückgezogen hätten. Den Berichten zufolge war die Lage angespannt, aber weitgehend ruhig.

Bereits am Samstag waren bei gewaltsamen Zusammenstößen in Kairo und Alexandria nach Angaben des Gesundheitsministeriums zwei Menschen ums Leben gekommen. Mehr als 1.000 Menschen wurden am Wochenende verletzt, darunter nach Behördenangaben auch viele Sicherheitskräfte.

Angesichts der Straßenschlachten kam die ägyptische Übergangsregierung am Sonntagabend zu einer Krisensitzung zusammen. Anschließend erklärte sie, dass die Parlamentswahlen wie geplant zwischen dem 28. November und dem 10. Januar stattfinden sollen. Der Militärrat warf den Demonstranten vor, es gehe ihnen darum, einen Wiederaufbau staatlicher Institutionen zu verhindern.

EU besorgt über Gewalt in Ägypten

Die Europäische Union zeigte sich äußerst besorgt über die Entwicklung. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton forderte zu Ruhe und Mäßigung auf und verurteilte den Einsatz von Gewalt. Die Forderungen der Bürger, wonach der politische Übergang mit einer Wahrung der demokratischen Prinzipien verbunden sein müsse, müssten Gehör finden, erklärte sie in Brüssel. Außenminister Guido Westerwelle betonte: "Es ist von überragender Bedeutung, dass die in einer Woche anstehenden Parlamentswahlen in einem friedlichen und geordneten Umfeld stattfinden können."

Einige Dutzend Demonstranten hatten nach einer von Islamisten dominierten Großkundgebung am Freitag Zelte auf dem Tahrir-Platz aufgebaut, um auf unbefristete Zeit gegen die geplanten Verfassungsleitlinien der Übergangsregierung zu protestieren. Diese sollen unter anderem die Macht des Militärs absichern. Nach einer Räumung des Platzes am Samstag strömten immer mehr Aktivisten sämtlicher politischer Gruppierungen ins Stadtzentrum und versuchten, den Platz zurückzuerobern. Die Demonstranten skandierten Parolen gegen das Innenministerium und das Militär, warfen Steine. Die Polizei setzte Tränengas ein. Ein 23-jähriger Mann kam nach Angaben des Gesundheitsministeriums bei den Krawallen am Samstag ums Leben.

Der Tahrir-Platz war auch zum Jahresbeginn das Zentrum der landesweiten Massenproteste, die am 11. Februar zur Entmachtung des damaligen Präsidenten Husni Mubarak führten. Seitdem ist der Militärrat an der Macht.

In Ägypten wird vom 28. November an in drei Phasen ein neues Parlament gewählt. Anschließend soll das Land eine neue Verfassung bekommen.

dpa