Rechte Ideologien zeichnen sich durch ihre Menschenfeindlichkeit aus. Nicht nur, dass sie die rechtliche Gleichheit der Menschen ablehnen, das Individuum selbst hat für die rechte Ideologie keinen Wert an sich. Nur in der Masse, als Teil einer obskuren, autoritären Volksgemeinschaft, hat der Mensch im rechten Gedankengut einen Platz. Andere Ethnien werden per se von der Gemeinschaft ausgeschlossen. Und wer sich politisch nicht unterwirft, hat ebenso seinen Platz verwirkt, wie die, die körperlich und geistig nicht mit der Masse schwimmen können oder wollen.
Das Saatgut der Rechten heißt Hass. Für diese Feststellung bedurfte es nicht der aktuellen Aufklärung der Mordserie. Haben wir uns an Überfälle gegen Ausländer und Andersdenkende, Bedrohungen, körperliche Gewalt bis hin zum Mord gewöhnt? Was die NPD und die mit ihr verbundenen Kameradschaften verfechten, ist der fundamentale Gegenentwurf zu einem Leben nach der Bergpredigt. Es ist keine Frage des Sollens oder Wollens. Es ist die Pflicht der Kirche sich aktiv gegen rechts zu engagieren. Diese Pflicht wächst aus dem Evangelium und aus der eigenen Geschichte.
Was erzählen wir dem Jugendlichen mit den langen Haaren, der immer wieder von den Neonazis auf dem Schulweg drangsaliert wird? Soll er sich anpassen, einen Kurzhaarschnitt tragen und den Leuten mit den Springerstiefeln die frohe Botschaft verkünden? Oder sollten wir die Not der Jugend teilen, die Vorfälle in der Gemeinde ansprechen und mit unserem Pfarrer beraten, was zu tun ist? Und was unternimmt eine Landeskirche wie die meine in Sachsen, wo Gewalt von Rechts in vielen Gegenden zum Alltag gehört?
Unserem Jesus ist Reden allein zu wenig
Wie ging Jesus mit jenen um, die wie die Händler und Geldwechsler im Tempel allen seinen Idealen entgegen standen? Der Evangelist Johannes (Kapitel 2, Vers 16) berichtet uns, dass er zornig wurde, Tische umstürzte, das Geld der Wechsler auskippte und sie mit einer Geißel (!) aus dem Tempel vertrieb. Würde dieser Jesus einem Umzug der Rassisten durch unsere Städte tatenlos zusehen? Unserem Jesus ist Reden allein zu wenig. "Jedoch tut nicht nach ihren Werken; denn sie [die Schriftgelehrten und Pharisäer] reden, aber tun es nicht." (Matthäus 23,3)
Die Geschichte unserer Kirche ist auch eine Geschichte ihres Versagens. Sie hat über Jahrhundert den Antisemitismus befördert und die Judenverfolgung ebenso geduldet wie den Kolonialismus. Aber niemals ist unsere Kirche so schuldig geworden wie im Nationalsozialismus. Und zu keiner Zeit, nicht in der frühen Neuzeit und auch nicht im Dritten Reich, hat sich unsere Kirche auf die Verkündigung des Evangeliums beschränkt und sich politisch neutral verhalten.
Eingemischt hat sie sich immer – leider meist auf der falschen Seite. Sie hat die Rechte der Junker gegen die unfreien Bauern verteidigt, die Kanonen des Deutschen Reiches geweiht, erst die Machtergreifung Hitlers und dann den Krieg begrüßt. Als Institution war sie auf dem rechten Auge blind. Wo immer sich Rassismus und menschenverachtende Politik zeigen, wird meine Kirche in den nächsten Jahrhunderten darin die Gelegenheit sehen, die Schuld der Vergangenheit durch tätige Reue zu sühnen.
Der Unternehmensberater Hubertus Grass hat als Geschäftsführer den Landesverband von Bündnis 90/Die Grünen in Sachsen mit aufgebaut. Er leitete die Abteilung Presse und Öffentlichkeitsarbeit des 33. Deutschen Evangelischen Kirchentages in Dresden.