TV-Tipp des Tages: "Plastic Planet" (ZDF info)
Als Kind spielte der Österreicher Werner Boote begeistert mit Plastikspielzeug. Dem erwachsenen Journalisten ist jedoch klar geworden, wie gefährlich Plastikmüll für die Umwelt ist: Der Film zeigt zum Beispiel, dass sich in den Meeren mittlerweile mehr Plastik als Plankton findet. Der Müll ist nicht bloß eine Frage der Ästhetik.
19.11.2011
Von Tilmann P. Gangloff

19.11., ZDF info, 20.15 Uhr: "Plastic Planet"

Ein Mann prangert vor der Kamera eine Gefahr an, die alle betrifft: Da denkt man unwillkürlich sofort an Michael Moore. Der Österreicher Werner Boote aber ist kein Weltverbesserer, der auch vor manipulativen Mitteln nicht zurückschreckt, um eine Botschaft möglichst drastisch unters Volk zu bringen. Sein Engagement steht dem des zornigen Amerikaners dennoch in Nichts nach. Bootes Film "Plastic Planet" ist investigativer Journalismus im besten Sinne, und deshalb kann er es sich auch leisten, auf missionarischen Eifer zu verzichten. Seine Informationen sprechen ohnehin für sich.

In jahrelanger Arbeit und diversen Reisen rund um den Globus hat Boote Fakten zusammengetragen, die sich zu einer alarmierenden These verdichten. Brisant ist dabei weniger die Feststellung, dass wir in einer Welt leben, die ohne Plastik nicht mehr denkbar wäre; um dies zu bestätigen, genügt ein flüchtiger Seitenblick. Die meisten Menschen sind sich auch der Tatsache bewusst, dass das Plastik immer noch auf irgendwelchen Halden vor sich hingammeln wird, wenn die Erinnerung an sie selbst längst verblasst ist.

Fische verhungern mit vollem Magen

In Gesprächen mit vielen Wissenschaftlern aber zeigt sich, dass der Müll nicht bloß eine Frage der Ästhetik ist. Meeresforscher und Biologen verdeutlichen, wie sehr die Plastikpartikel schon in die Umwelt erobert haben. In den Weltmeeren beispielsweise findet sich mittlerweile mehr Plastik als Plankton. Die Fische aber nehmen auch den unverdaulichen Kunststoff auf; sie verhungern qualvoll – mit vollem Magen.

Boote vermeidet es allerdings tunlichst, neunzig Minuten lang Alarm zu schlagen. Seine Auftritte sind im Gegenteil geprägt von Gelassenheit; mit den Repräsentanten der Plastikindustrie plaudert er genauso entspannt wie mit den Wissenschaftlern. Die Lobbyisten behandeln ihn zunächst sogar wie einen der Ihren: Bootes Großvater gehörte zu den europäischen Kunststoffpionieren, der kleine Werner war begeistert vom bunten Plastikspielzeug, das der Opa ihm regelmäßig schenkte.

Es ist nicht zuletzt diese persönliche Komponente, die den Reiz des Films ausmacht. Ganz gleich, mit wem Boote redet: Er schafft es immer, eine freundliche Gesprächsatmosphäre herzustellen, mit den Müllsammlern in der Nähe von Kalkutta ebenso wie mit der über fünfzig Jahre alten Fitness-Trainerin, die unbedingt jung bleiben will und stolz ihren Silikonbusen präsentiert.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).