Versicherer verkaufen schlechtes Wetter
In die Finanzkrise sind auch Versicherungsunternehmen verwickelt. Sie pflegen Prämien in vermeintlich sichere Staatsanleihen anzulegen, die mittlerweile zum Teil als "Schrottpapiere" gelten. Kunden von Versicherungen müssen mit niedrigeren Renditen rechnen, unter niedrigen Zinsen leiden sie sowieso schon. In Griechenland trifft die Schuldenkrise die Versicherer direkt, denn auch sie sollen zum Schuldenschnitt beitragen.
18.11.2011
Von Hermannus Pfeiffer

Finanzkrise, was für eine Krise? Mitten im größten Schlamassel auf den Finanzmärkten seit 66 Jahren verkauft die Munich Re Risiken für US-Hurrikane und Windstürme in Europa mit einem Gesamtvolumen von 100 Millionen Dollar auf dem Kapitalmarkt. Die Katastrophenanleihe wurde überwiegend von Investmentfonds und Hedge-Fonds gekauft. Es war bereits die dritte Platzierung eines "Catastrophe Bonds" durch die Bayern in wenigen Monaten.

Der weltgrößte Rückversicherer aus München ist damit seine "Risiken" erst einmal los: Stürmen die Windhosen oder zerstört ein Hurrikan in den kommenden Jahren ganze Landstriche, zahlen dafür die Investoren. Geht es gut, kassieren diese eine überdurchschnittliche Rendite. Die Wetter-Risiken liegen damit auf den Finanzmärkten. Nun ist diese Katastrophenanleihe für sich genommen zu klein, um eine Krise auszulösen, doch sie ist weltweit nicht die einzige und niemand weiß, wo die versicherungstechnischen Risikopositionen der Assekuranz heute wirklich alle liegen.

Unwägbare Gefahren: Prämien werden in Staatsanleihen angelegt

Schlecht Wetter herrscht durchaus auch auf anderen Baustellen der Sicherheitsverkäufer. Die Finanzkrise hat gezeigt, dass selbst Geldgiganten mit einem relativ sicheren Geschäftsmodell in existenzielle Schwierigkeiten geraten können. Versicherungsgesellschaften pflegen an sich ein solches: Sie schätzen die Wahrscheinlichkeit eines Autounfalls in Hamburg, eines Einbruchs in Berlin oder eines Hurrikans in den Vereinigten Staaten ab und kalkulieren entsprechend die Prämien, die ihre privaten Kunden und Firmen bezahlen müssen.

Und weil der Spruch "sicher ist sicher" allemal für die Assekuranz gilt, sichern sich Erstversicherer wie Allianz oder Ergo auch noch bei Rückversicherern wie Munich Re global ab. Zudem werden die vielen Milliarden Euro, die sie an Prämien kassieren, nicht zuletzt aufgrund strenger gesetzlicher Vorgaben, überwiegend in vermeintlich risikolose Finanztitel angelegt, beispielsweise in Staatsanleihen. Doch diese gelten mittlerweile teilweise als "Schrottpapiere" und stecken - siehe Griechenland und Italien - für die Versicherer nun voller schwer wägbarer Gefahren.

Im Fall Griechenlands wurden diese bereits ganz handfest. Auf dem Euro-Gipfel Ende Oktober konnten Kanzlerin Merkel, Präsident Sarkozy und die anderen EU-Regierungschefs die "privaten Investoren", wie es im offiziellen Dokument heißt, in einem medienwirksamen Verhandlungsmarathon zu einem Schuldenschnitt von 50 Prozent bewegen. Für Griechenland werden sich die Schulden immerhin um 100 Milliarden Euro verringern - und die Gläubiger haften endlich mal für den Schlamassel, den sie mit angerichtet haben.

Der Schuldenschnitt kommt teuer

Der Schuldenerlass trifft Versicherer mindestens ebenso hart wie die Banken. Das Engagement der Assekuranz in Papieren der "PIIGS"-Staaten - gemeint sind mit diesem garstigen Fachausdruck Portugal, Irland, Italien, Griechenland und Spanien - liegt laut der Finanzaufsicht Bafin je nach Staat und Unternehmen in einer Bandbreite von rund 0,3 bis 3 Prozent der jeweiligen Kapitalanlagen. Die Risikostreuung scheint damit intakt zu sein. Dass ein Versicherer an einem weiteren Schuldenschnitt verbluten könnte, wird von Beobachtern ausgeschlossen. Aber jeder Schuldenschnitt kommt teuer, sehr teuer, gerade für die Kunden. Deren Renditen sinken.

Zudem trifft Versicherer schon die ausdauernde Zinsflaute hart. Wer sein Kapital und das seiner Kunden weitgehend in sicheren Wertpapieren anlegt, wie die Assekuranz, setzt auf Zinseinnahmen. Aber infolge der Finanzkrise liegen die maßgeblichen Leitzinsen in den USA, Japan und Europa mit 1,5 bis 0 Prozent tief im Keller und decken nicht einmal die Inflation ab. Angesichts der in aller Welt verbreiteten Rezessionsangst dürften die Zinssätze außerdem noch lange niedrig bleiben.

Die Branche wirkt angesichts dieser Zwickmühle ratlos. Von der EU wird sie nun ein Jahr mehr Zeit kriegen, neue strengere Kapitalregeln nach "Solvency II" erst 2014 anzuwenden. An den endgültigen Bestimmungen für das "Basel III" der Assekuranz wird derzeit noch unter Hochdruck gefeilscht. Besonders erfolgreich erscheint dabei die deutsche Lobby: So sollen die Kunden von den versteckten Reserven in den Bilanzen zukünftig weniger abbekommen. Sicher ist sicher. Das würde die Kapitalbasis der Unternehmen stärken - und Lebens- und Rentenversicherungen für Sparer noch weniger attraktiv machen.

Versicherungs-Sparer verlieren Geld

Verbraucher müssen sich um ihre Renten- und Lebensversicherungen trotzdem nicht sorgen, versichert die Finanzaufsicht Bafin. Aber um die Renditen ihrer Geldanlagen: Im Januar sinkt auch noch der Garantiezins, den Versicherte für eine neue Kapitallebensversicherung oder Privatrente erhalten, von bescheidenen 2,25 auf mickrige 1,75 Prozent. Versicherungssparer verlieren also sogar Geld, denn die Preise steigen weit schneller.

Ein Mittel, um sich gegen das schlechte Wetter zu wappnen, ist der Verkauf von "Risiken" auf den Finanzmärkten, wie es die Munich Re mit ihrer Katastrophenanleihe tut. Bemerkenswert allerdings, dass der Weltkonzern dazu eine Zweckgesellschaft, eine Art Schattenbank, gründete und das auch noch in der Regulierungs-Oase Irland. "Zweckgesellschaften" und "Irland" spielten 2007/2008 eine Hauptrolle beim Ausbruch der großen Finanzkrise.


Hermannus Pfeiffer arbeitet als freier Wirtschaftspublizist in Hamburg.