Wer regiert die Welt? Die 147 mächtigsten Konzerne
Wissenschaftler aus Zürich haben ermittelt, welche Firmen weltweit Macht und Kontrolle ausüben: 147 multinationale Konzerne beherrschen 40 Prozent der Weltwirtschaftskraft. Weit vorne auf der Liste auf Rang zwölf: die Deutsche Bank.
18.11.2011
Von Sebastian Stoll

Wenn James Glattfelder das Objekt seiner Forschung erklärt, dann vergleicht er es gerne mit einem Heringsschwarm. Einfache Tiere seien das, und es gelten einfache Regeln. "Schaut man sich aber das Kollektivverhalten an, dann handelt der Schwarm extrem komplex und intelligent", sagte der Systemtheoretiker in Zürich dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Genau so sei das mit vom Menschen geschaffenen Systemen: Auch wenn sie auf den ersten Blick chaotisch wirkten, bei genauerer Betrachtung offenbarten sie fast immer eine klare Struktur. Glattfelder und seine Kollegen von der Eidgenössischen Technischen Hochschule haben sich bei einer neuen Untersuchung auf 147 Firmen und Investoren aus weltweit 37 Millionen konzentriert: Gemeinsam ist diesen Konzernen, dass sie "bei der Berechnung von Kontrolle eine große Rolle spielen", sagt er.

In 37 Millionen Datensätzen recherchiert

147 Konzerne sind es, die nach Ansicht Glattfelders etwa 40 Prozent der weltweiten Wirtschaftskraft beherrschen. Die Forscher haben diese Zahl in ihrer noch unveröffentlichten Studie "The network of global corporate control" in mehreren Schritten seit 2007 extrahiert aus jenen 37 Millionen Datensätzen, die in der kommerziellen Unternehmensdatenbank Orbis verzeichnet sind. 43.000 der dort gelisteten Firmen operieren transnational, aber nur 1.318 sind an zwei oder mehr weiteren Unternehmen beteiligt. Am Ende kristallisierten sich in der Untersuchung 147 Inseln multinationaler Konzerne heraus, die mittels gegenseitiger Beteiligungen und Abhängigkeiten besonders viele Akteure um sich versammelt haben

Zum ganz überwiegenden Teil handelt es sich dabei um Banken und andere Firmen aus der Finanzwirtschaft. Angeführt wird die Liste vom britischen Finanzkonzern Barclays, es folgen der französische Axa-Konzern, der Schweizer Bankgigant UBS sowie den US-Riesen Merrill Lynch und Goldman Sachs. Größtes deutsches Unternehmen ist die Deutsche Bank auf Rang zwölf der einflussreichsten Firmen, der Allianz-Konzern steht auf Platz 28.

Die Autoren setzen Macht und Kontrolle nicht mit Eigentum gleich. "Man kann auch die Kontrolle innehaben, indem man 51 Prozent einer Firma besitzt, die ihrerseits 51 Prozent an einer weiteren Firma besitzt", sagt Glattfelder. Ein Beispiel sei etwa der Investor Roberto Colaninno, der über ein solches Konstrukt zwischenzeitlich in den Besitz der italienischen Telekom gelangt sei. "Manchmal reichen aber auch schon zehn Prozent Aktienbesitz aus, um einen Konzern unter seiner Kontrolle zu haben. Dann nämlich, wenn alle anderen noch weniger besitzen."

Der Spruch der Krise: "too connected to fail"

Eigenen Angaben zufolge sind die schweizerischen Forscher über das von ihnen entdeckte Maß an Konzentration selbst überrascht, ebenso über den großen Anteil an Banken unter den Akteuren. Das US-Wirtschaftsmagazin "Forbes" kritisierte die Studie prompt mit dem Hinweis, es handele sich bei den Beteiligungen der Banken auch zum großen Teil um geparkte Anlegergelder, mit denen keine Kontrolle ausgeübt werde solle. Glattfelder hält dagegen: "Eigentlich sollten etwa Beteiligungen von Hedgefonds weit gestreut angelegt sein. Statt dessen konzentrieren sie sich an wenigen Punkten."

Es sind mehrere Risiken, die sich Systemtheoretiker James Glattfelder zufolge aus dieser Konzentration ergeben. Zunächst gelte auch hier der in der Euro-Krise gebräuchliche Spruch: "too connected to fail". Er besagt: "Wenn Macht zu sehr konzentriert ist, sollte niemand in Konkurs gehen." Zudem habe die Studie nur die offen sichtbare Macht abgebildet. "Wenn die Leute sich kennen, ist auch eine mögliche informelle Machtausübung nicht auszuschließen, die man mit unserer Methoden nicht sehen kann. Ob es so etwas gibt, wissen wir schlicht nicht." Die Strukturen, die so etwas ermöglichten, seien da, dennoch sei es Aufgabe weitergehender Forschung, sie zu untersuchen.

Die Begründung ist komplex, aber die Antworten, die Glattfelder und seine Kollegen liefern sind simpel. Deswegen betont der Wissenschaftler, dass es in der Studie nur um Grundlagenforschung gegangen sei und distanziert sich vorsorglich von Verschwörungstheoretikern. Wer bei der Machtballung von Absicht ausgehe, denke zu kurz. "Dieses Netzwerk ist aus einem Mechanismus entstanden. Ich glaube nicht, dass es bewusst von jemandem so gestaltet wurde." Bei einem Schwarm von Fischen sei das ja auch nicht anders.

epd