Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), und die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, unterstützten am Donnerstag in Berlin einen entsprechenden Vorschlag von Migrantenverbänden. Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, forderte eine Gedenkstunde im Parlament. Erschütterung und Betroffenheit über das Ausmaß rechtsextremer Gewalt in Deutschland hielten an.
Migranten haben Vertrauen in Sicherheitsbehörden verloren
Den Opfern müsse ihre Würde zurückgegeben werden, sagte Böhmer, die sechs Vertreter von türkischen und griechischen Organisationen im Integrationsbeirat der Bundesregierung zum Gespräch eingeladen hatte. Eine schnelle und gründliche Aufklärung der Verbrechen müsse jetzt im Vordergrund stehen. Die Opfer und ihre Familien dürften aber nicht aus dem Blick geraten. Die Migranten in Deutschland müssten wissen, dass sie Teil dieses Landes seien.
Ali Ertan Toprak von der Alevitischen Gemeinde in Deutschland wies darauf hin, dass unter den Migranten das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden erschüttert sei. Bundespräsident Christian Wulff hatte am Mittwochabend bereits angekündigt, sich gemeinsam mit Vertretern von Bundesregierung und Bundestag mit Angehörigen der Opfer zu einem Gespräch treffen zu wollen.
Lüders betonte, eine zentrale Trauerfeier wäre ein überfälliges Zeichen an die Angehörigen, die in den vergangenen Jahren oft zu Unrecht selbst ins Visier der Ermittlungsbehörden geraten seien. Linken-Fraktionschef Gysi regte zudem in einem der "Berliner Zeitung" (Freitagsausgabe) vorliegenden Brief an Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) eine von allen Fraktionen getragene Resolution an. Diese solle deutlich machen, dass die Abgeordneten gemeinsam gegen die Bedrohung durch den rechten Terror handeln werden.
Berliner Bischof Dröge "tief erschüttert" über rechtsextreme Gewalt
Der evangelische Bischof Markus Dröge äußerte sich in einem epd-Gespräch "tief erschüttert" über das Ausmaß rechtsextremer Gewalt. Er mahnte Kirchengemeinden, rechtsextremistische Bestrebungen in ihrem Bereich nicht zu übersehen. Vielmehr müssten sie sich mit diesem Phänomen kritisch auseinandersetzen und Probleme offen ansprechen.
Der Oberbürgermeister von Jena, Albrecht Schröter (SPD), wehrte sich gegen den Vorwurf, die thüringische Stadt sei eine Neonazi-Hochburg. Dass die Mitglieder der rechtsextremen Terrorgruppe aus Jena stammten, sei sehr bedauerlich. Die Ursache dafür liege zum Teil in der DDR-Geschichte.
Jena sei in den 1970er und 1980er Jahren ein Zentrum des Widerstands gegen das SED-Regime gewesen. Auch Skinheads hätten in diesem Umfeld ihre Form des Protests entwickelt, was durch die Wende verstärkt worden sei, sagte er MDR Info. Schröter sollte am Abend vom Berliner Förderkreis für das Holocaust-Denkmal für seinen Einsatz gegen Rechtsradikalismus mit dem Preis für Zivilcourage ausgezeichnet werden.
Debatten über rechtsextreme Gewalt gab es am Donnerstag auch in mehreren Landtagen. In Mecklenburg-Vorpommern gebe es bislang keine Informationen über dort vorhandene Strukturen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU), sagte Innenminister Lorenz Caffier (CDU) in Schwerin. Es gebe aber seit Jahren eine besonders aktive und gut organisierte rechtsextremistische Szene, von der "unübersehbare Gefahren" für die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgingen.
"Anschlag auf unsere Freiheit und Demokratie"
Der hessische Landtag gedachte der zehn mutmaßlichen Opfer des Thüringer Neonazi-Trios, von denen zwei aus Hessen stammten. In Wiesbaden erklärten CDU, SPD, FDP, Grüne und Linke gemeinsam: "Der Landtag ist bestürzt und zutiefst betroffen von den augenscheinlich durch die rechtsextremistische Terrorgruppe 'Nationalsozialistischer Untergrund' begangenen menschenverachtenden Morden und Gewalttaten." Landesinnenminister Boris Rhein (CDU) entschuldigte sich bei den Angehörigen der Opfer.
Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) verurteilte die rechtsterroristischen Morde der vergangenen Jahre als "Anschlag auf unsere Freiheit und Demokratie". Den Familien der Opfer sprach er im Düsseldorfer Landtag sein Mitgefühl aus und entschuldigte sich bei ihnen dafür, dass die "Ermittlungen über Jahre in die falsche Richtung gelaufen" seien.
Ein rechtsextremistisches Trio aus Thüringen steht im Verdacht, insgesamt zehn Morde an türkisch- und griechisch-stämmigen Männern sowie an einer Polizistin in den Jahren 2000 bis 2007 verübt zu haben.