Mit einem Cappucinoquirl kann man nicht nur Milch aufschäumen, sondern auch Krankheiten diagnostizieren. Das meint zumindest der freundliche Mentalheiler, der seine "Kunst" auf der Aachener Esoterikmesse im Eurogress präsentiert. Zwei Bananenstecker mit Kabeln in den Quirl, den einen hält der Klient, so nennen auch Geistheiler ihre Kunden, über den Kopf. Den anderen hält der Heiler in der Hand. Dann fährt er mit dem Quirl den Klienten von oben bis unten ab, um "Blockaden" in den "Chakren" aufzuspüren. Die Chakrenlehre entstammt der traditionellen indischen Medizin und wird in der Esoterik so umgebogen wie es gerade ins System passt und oft so, "dass ein traditionell ausgebildeter indischer Arzt schreiend weglaufen würde", wie der Referent für Weltanschauungsfragen des katholischen Bistums Aachen Herbert Busch sagt.
Esoterik ist keinesfalls das seltsame Hobby irgendwelcher Freaks, es ist ein Millionenmarkt, und ein mitunter gefährlicher noch dazu. Esoteriker beanspruchen die Welt umfassend erklären oder Kontakt zur jenseitigen Welt herstellen zu können - wie etwa durch das "Channelling" mit Engeln oder anderen Wesen.
Es sind diverse aus östlichen, christlichen, pseudowissenschaftlichen und sonstigen Versatzstücken zusammengebastelte Weltanschauungen, die sich der jeweilige "Heiler" oder Guru zusammengelegt hat und in die er seine Klienten nach Bedarf einweiht. Tiefgehend mit den Wurzeln schamanistischer oder östlicher Philosophien habe sich eher selten jemand befasst, sagt Herbert Busch.
Currywurst statt "Lichtnahrung"
Das Angebot eosterischer Heil(ungs)angebote ist riesig, unübersichtlich und sich selbst widersprechend. Das fängt an bei alternativmedizinischen Therapien an, die durchaus von seriösen Ärzten und Heilpraktikern angewandt werden wie etwa die Akupunktur, deren Wirksamkeit durch lange Erfahrung erwiesen ist, geht weiter über pseudowissenschaftliche "Erkenntnisse" wie Magnetspulen und hört bei Pendeln und Wahrsagen auf.
Eine seriöse Alternativmedizin durch Ärzte und kompetente Heilpraktiker komme allerdings ohne "umfassendes Allmachtswissen" aus, sie beruhe lediglich auf einer anderen medizinischen Tradition, etwa der chinesischen, erklärt der Mediziner Günter Arnolds vom "Arbeitskreis Heil und Heilung" der katholischen Beratungsstelle für Religions- und Weltanschauungsfragen in Mönchengladbach. Auch wird jeder verantwortungsbewusste Arzt oder Heilpraktiker bei bestimmten Indikationen sofort auf die Schulmedizin verweisen. Beim Beinbruch hilft keine Akupunktur, der Patient braucht eine Operation oder einen Gips.
Der Theologe Achim Höps, der Mediziner Günter Arnolds und der Weltanschauungsbeauftragte Herbert Busch vor esoterischen Werkzeugen und Literatur. Foto: Klaus Schlupp
Wer meint, dass sich Esoteriker ausschließlich von "Lichtnahrung" (also: nichts) oder vegan ernähren, täuscht sich. "Currywurst und Frikadelle heißen die kulinarischen Hits auf der Messe", sagt die freundliche Bedienung, die selbst über die Vorlieben der Messebesucher und -aussteller erstaunt ist. Vor dem Gebäude steht eine Dame mit brennender Zigarette im Mund, die als "Christusmedium" für 1,69 Euro pro Minute telefonisch die "Hilfe bei Krankheiten aller Art" verspricht, unter anderem die Befreiung von Traumata, Depressionen und Suchtkrankheiten. Für die eigene Nikotinsucht hat es offensichtlich nicht gereicht. "Kein Arzt ist in der Lage, dieses riesige Therapiespektrum abzudecken", sagt Günter Arnolds.
Sonderstellung und Mittlerschaft
Besonders bei schweren Krankheiten – etwa Krebs – können solche Angebote lebensbedrohend sein, etwa wenn die Chemotherapie im Glauben an den Heiler unterlassen wird. Gerade Schwerstkranke, die einer langwierigen und manchmal schmerzhaften Therapie bedürfen, suchen oft ihr Heil bei Anbietern, die schnelle und leichte Genesung versprechen. Durch die Presse ging der Fall des Mediziners Matthias Rath, der Krebs mit Vitaminpillen zu beseitigen versprach und dessen Vorzeigepatient Dominic elendig sterben musste.
Der im Flyer des "Christusmediums" kleingedruckte Satz "Die Behandlung ersetzt nicht den Arztbesuch" widerspricht dem eigenen Anspruch der Frau und soll sie offensichtlich vor Klagen schützen. Die angebotene Fernheilung sei aus medizinischer Perspektive wirkungslos, sagt Günter Arnolds.
Aus theologischer Perspektive maße sich das "Christusmedium" etwas an, was kein ordinierter Pfarrer für sich in Anspruch nehmen würde, sagt Pfarrer Andrew Schäfer vom Referat für Sekten und Weltanschauungsfragen der Evangelischen Kirche im Rheinland. Hier werde eine Sonderstellung und Mittlerschaft beansprucht, die der unmittelbaren Beziehung zwischen Schöpfer und Geschöpf widerspreche, mithin ein Rückschritt hinter die Reformation sei.
"Esoteriker sind Erfahrungsfundamentalisten"
In einer Ecke hängt ein großes Plakat, und ein freundlich aussehender Mann in weißem Arztdress präsentiert sich den Messebesuchern. Der Mann, der mit seinem "Dr. med." hausieren geht, ist tatsächlich approbierter Arzt und verspricht auf seiner Homepage, aus einer E-Mail heraus das Lebensalter einer schmerzhaften Erfahrung zu ermitteln und einen persönlichen Selbstheilungssatz zu formulieren. Das Prinzip, dass körperliche Leiden oft psychische Ursachen haben und die Heilungskräfte des Körpers stark sind, ist ja nicht grundsätzlich falsch. Problematisch sind allerdings die Heilungsversprechen dieses Mediziners. Mit einem Muskeltest (Kinesiologie) will er die "schmerzhafte Erfahrung" herausfinden und anschließend zeigen, wie der Patient die Erfahrung wieder los wird.
Juristisch sei schwer gegen solche Methoden anzugehen, wird seitens der Ärztekammer Nordrhein geklagt. Selbstverständlich müsse eine Therapie dem Stand der ärztlichen Kunst entsprechen, allerdings gebe es in Deutschland Therapiefreiheit. Hinzu komme, dass viele Patienten an ihre "Wunderdoktoren" glauben und gar nicht merken, dass es auch Mediziner gibt, die verantwortungslos handeln. Interessant auch der Begriff "Erfahrung" mit dem der Mediziner operiert. "Esoteriker sind Erfahrungsfundamentalisten", sagt Pfarrer Schäfer. Denn Erfahrungen seien keinesfalls absolute Wahrheit, wie in esoterischen Kreisen behauptet werde, sondern immer gedeutete Erlebnisse.
Grenze zwischen Schöpfer und Geschöpf
"Bei esoterischen Heilungsangeboten muss auch geprüft werden, was der 'Therapeut' unter 'Heilung' versteht", sagt Herbert Busch. Denn Esoteriker differenzieren nicht wie etwa die christlichen Kirchen zwischen medizinischer Heilung, etwa der Befreiung von Rückenschmerzen, und einem umfassenden spirituellen Heilsbegriff. Auch Christen kennen Heilungsgebete und auch Salbungen, im Jakobusbrief, Kapitel 5 gibt es dafür eine biblische Grundlage. Pfarrer Schäfer verweist hier besonders auf den steigenden Zulauf bei Salbungsgottesdiensten. Allerdings maßen sich Christen keinesfalls an, ähnlich wie Esoteriker, den lieben Gott instrumentalisieren zu wollen. "Jedes Heilungsgebet geschieht im Modus des Bittens, um die Grenzen zwischen Schöpfer und Geschöpf zu bewahren", sagt Schäfer.
Bei Gebeten und kirchlichen Handlungen geht es primär um das Heil des Menschen und das Geborgensein in Gottes Willen, weniger um Heilung im medizinischen Sinn. Gott nimmt den Menschen auch und gerade in seiner Krankheit an. Medizinische Hilfe darf beim Gebet für den Kranken nicht ausgeschlossen werden, sondern ist Pflicht: "Für jemanden beten, ihm aber eine Heilbehandlung vorenthalten, ist unchristlich", sagte schon 1978 der Würzburger katholische Bischof Josef Stangl. Auch wenn Glaube auch die Heilung im medizinischen Sinn fördern kann: Christlicher Glaube und erst recht esoterischer Aberglaube können eine ärztliche Therapie nicht ersetzen.