Katholische Arbeitnehmer setzen auf Dritten Weg
Kein Streikrecht, keine Gleichstellung mit weltlichen Arbeitnehmern: Ähnlich wie ihre meisten evangelischen Kollegen wollen die Beschäftigten in katholischen Einrichtungen ihre Arbeitsbedingungen weiterhin im Konsens mit den Dienstgebern aushandeln. Der sogenannte Dritte Weg habe sich bewährt.

Das betonte der Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz (BAG-MAV), Günter Däggelmann, zum Abschluss der jährlichen Mitgliederversammlung in Aachen. Es bestehe kein Bedarf, das kirchliche Dienstrecht zu Gunsten des Betriebsverfassungsgesetzes abzuschaffen. Die grundsätzliche Zufriedenheit mit dem Dritten Weg - der gemeinschaftlichen Regelung der Arbeitsbedingungen im Konsens - bedeute aber noch lange nicht, dass in der katholischen Kirche alles in Ordnung sei, so Däggelmann weiter.

Sein Stellvertreter Wolfgang Böttcher verwies auf die Zustände im Erzbistum Berlin, die er mit dem Ausdruck "Sodom und Gomorrha" umschrieb. Dort seien besonders bei Krankenhäusern und sozialen Dienstleistern viele Mitarbeiter in Leiharbeit überführt worden. Böttcher berichtete von einem Haus, in dem die Zahl der Beschäftigten im Rahmen der Arbeitsvertragsrichtlinien Caritas (AVR) von 1.200 auf 400 gesunken seien, obwohl noch alle Mitarbeiter da waren. Die MAV sei zufrieden, dass der neue Erzbischofs Rainer Woelki schnell Abhilfe schaffen wolle. Woelki ist auch Caritas-Beauftragter der Bischofskonferenz.

Grundsätzlich seien die Oberhirten aufgefordert, auch in arbeitsrechtlichen Fragen ihr höchstes kirchliches Richteramt auszuüben, unterstrich Däggelmann (Foto: Klaus Schlupp). Dies bedeute, in letzter Konsequenz auch einmal unkooperative Träger, die sich nicht an die Grundordnung kirchlicher Arbeitsverhältnisse halten, aus der kirchlichen Dienstgemeinschaft auszuschließen. "Dann gelten für die die gleichen Rechte und Pflichten, wie für jeden anderen weltlichen Arbeitgeber", so der Chef der BAG-MAV.

Sendungsauftrag der Kirche

In der katholischen Kirche ist der Bischof kraft seiner Weihevollmacht in seiner Ortskirche oberster Richter, Gesetzgeber und Leiter. Er setzt kirchliche Arbeitsgerichte ein, die in Streitfällen zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer entscheiden. Hinzu kommt die Möglichkeit, sich in letzter Instanz auch an die Apostolische Signatur, das höchste päpstliche Gericht zu wenden, die beispielsweise unter Vorsitz des Aachener Bischofs Heinrich Mussinghoff im März 2010 in einem Streitfall zwischen dem Kolping-Bildungswerk und seiner Mitarbeitervertretung entschieden hat. Kirchliche Arbeitsgerichte sind weisungsunabhängig und bieten Rechtsschutz in allen Streitigkeiten des kollektiven kirchlichen Arbeitsrechtes. Sie können gegen Dienstgeber, die sich nicht an das Arbeitsrecht halten, Zwangsgelder erlassen.

Das Leitbild des kirchlichen Dienstes – die Dienstgemeinschaft – bringt zum Ausdruck, dass alle im kirchlichen Dienst Tätigen ohne Rücksicht auf ihre arbeitsrechtliche Stellung gemeinsam dem Sendungsauftrag der Kirche verpflichtet sind. "Das bedeutet aber nicht, Interessengegensätze zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten zu negieren ", heißt es in einem Positionspapier der BAG-MAV. Während im Bereich des weltlichen Betriebsverfassungsgesetzes gerade einmal 30 Prozent der Unternehmen über einen Betriebsrat verfügen, haben 80 Prozent aller katholischen Einrichtungen eine Mitarbeitervertretung. Der kirchliche Arbeitgeber ist verpflichtet, eine MAV einzurichten.

Auch ersetzende Leiharbeit ist nach dem katholischen Arbeitsrecht zu verhindern. Dennoch sei es besonders bei der Caritas infolge wirtschaftlichen Druckes zu unzulässigen Abweichungen von bestehenden Regeln gekommen. Hier sieht die BAG-MAV Nachhol- und Entwicklungsbedarf, was die betriebliche Mitbestimmung der Mitarbeitervertretungen in wirtschaftlichen Angelegenheiten und Strukturen der Unternehmensmitbestimmung angeht.

Gerichte entscheiden über Streikverbot

Dennoch ist im Gegensatz zur evangelischen Kirche der Dritte Weg bei den Katholiken unumstritten. Auch die Vertreter von ver.di in den MAV streben nicht danach, für kirchliche Mitarbeiter etwa ein Streikrecht zu fordern. Im Bereich der Diakonie hingegen strebt die Gewerkschaft genau das an und will es auch zivilrechtlich durchsetzen und bis zum Bundesverfassungsgericht gehen. Diese Prozesse sieht Günter Däggelmann eher mit Sorge, da letztlich unsicher sei, was nach dem aus seiner Sicht bewährten Modell kommen werde.

Die EKD-Synode hatte vor kurzem für ein Kirchengesetz votiert, demzufolge Streiks und Aussperrungen im Bereich der evangelischen Kirche weiterhin ausgeschlossen sind, sofern es in den Landeskirchen keine anderen Bestimmungen gibt. Zwei der 22 Landeskirchen, die Nordelbische Kirche sowie die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, regeln die Arbeitsbedingungen zwischen Dienstgeber und Beschäftigten nicht auf dem Dritten Weg, sondern per Tarifvertrag.

In einem weiteren Positionspapier setzt sich die BAG-MAV für einen gesetzlichen Mindestlohn ein. Ein solcher habe auch entschiedene wirtschaftliche Vorteile für die Caritas, da sie hier nicht mehr durch Dumpingangebote unterboten werden könne, heißt es in dem Papier.


Dr. Klaus Schlupp ist katholischer Theologe, Kirchenhistoriker und freier Journalist in Aachen mit den Schwerpunken Kirche, Geschichte, Kultur, Niederlande, Belgien.