Palästina in der Unesco: "Ein Erfolg auf unserem Weg"
Als wichtige Wegmarke hin zu einem souveränen Staat sieht Palästinas Generaldelegierter in Deutschland, Salah Abdel Shafi, die heftig diskutierte Unesco-Mitgliedschaft des Landes. Er verbindet damit auch die Hoffnung auf Frieden in der Region.
16.11.2011
Von Salah Abdel Shafi

Mit der Aufnahme Palästinas in die Generalkonferenz der Erziehungs-, Wissenschafts- und Kulturorganisation der Vereinten Nationen (Unesco) Ende Oktober verbuchte die palästinensische Regierung einen diplomatischen Erfolg auf dem Weg zu ihrer Eigenstaatlichkeit. Denn mit einer überwältigenden Mehrheit von 107 zu 14 Stimmen haben die Mitglieder der Unesco den Staat Palästina in die UN-Organisation aufgenommen und damit der palästinensischen Regierung ein legitimes politisches Mandat gegeben.

Hierdurch gestärkt kann sich nun Palästina auf direkter Augenhöhe mit allen anderen Staaten aktiv an an den Aufgaben der Unesco beteiligen, Verantwortung übernehmen, aber auch Unterstützung unter anderem beim Schutz des palästinensischen Kulturerbes einfordern. Bei dem Beschluss im vergangenen Monat ging es folglich einzig und allein um die inhaltliche Mitwirkung in der Unesco und um den palästinensischen Beitrag an den Milleniumsentwicklungszielen.

Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg

Als 37 Staaten am 16. November 1945 in London die Unesco-Verfassung unterzeichneten, war diese eine aus den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges gezogene Lehre. "Ein ausschließlich auf politischen und wirtschaftlichen Abmachungen von Regierungen beruhender Friede kann die einmütige, dauernde und aufrichtige Zustimmung der Völker der Welt nicht finden. Friede muss - wenn er nicht scheitern soll - in der geistigen und moralischen Solidarität der Menschheit verankert werden."

In diesem Sinne schützt und bewahrt die Unesco als einzige Organisation der Vereinten Nationen mit einem für Kultur ausgestattetem Mandat das Kulturerbe, fördert die praktische Umsetzung des Respekts im Umgang mit der Vielfalt der Kulturen und setzt sich für ein friedliches Zusammenleben der Religionen ein. Auch in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Kommunikation spielt die Kulturorganisation eine herausragende Rolle.

Gemeinsame internationale Verantwortung

Vor diesem Hintergrund und mit dem Wissen, dass zum einen das kulturelle Erbe eines jedes Volkes sein Leben in der Gemeinschaft und seine Identität widerspiegelt und zum anderen Zeugnis der gesamten Menschheit ist, liegt dessen Schutz und Bewahrung nicht nur in der Hand eines jeden einzelnen Staates, sondern in der Verantwortung der gesamten internationalen Gemeinschaft.

Bild links: Salah Abdel Shafi, Generaldelegierter der Palästinenser in Deutschland

Palästina als ein unter israelischer Besatzung lebendes Land hat ohne die Unesco nicht die Möglichkeit und Mittel, sein kulturelles Erbe als identitätsstiftendes Moment zu schützen und zu bewahren. Die Mauer der Altstadt von Ost-Jerusalem und die Altstadt selbst sind auf der "Liste des gefährdeten Welterbes".

Wir Palästinenser sind darauf angewiesen, die unter israelischer Besatzung stehende Altstadt mithilfe der Unesco zu schützen und die Altstadt als palästinensisches Kulturerbe zu erhalten.

Das gilt auch für den Erhalt der religiösen Stätten wie in Bethlehem und Hebron oder der Naturlandschaften wie das Tote Meer. Die hier als Beispiel genannten Stätten ist unwiderruflich und durch die Geschichte bewiesenes palästinensisches Kulturerbe und muss unter allen Umständen als Wahrzeichen der palästinensischen Vielfalt und Identität charakterisiert und bewahrt werden.

Es geht um die völkerrechtskonforme Bewahrung von Kulturgütern

Als Mitglied der Unesco behüten wir diese Stätten völkerrechtskonform, indem wir jetzt legal auf die Welterbe-Konvention zurückgreifen können. Das 1972 von der Unesco verabschiedete Abkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt ist das international bedeutendste Instrument, das jemals von der Völkergemeinschaft zum Schutz des kulturellen und natürlichen Erbes beschlossen wurde. Ihre Anwendung ist ohne unsere Mitgliedschaft nicht möglich.

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Verständigung zwischen den Völkern verläuft über das Verständnis für den Anderen und der Schlüssel hierfür liegt in der Bildung. Und auch hier vertreten wir in ganzer Linie eine weitere Leitidee der Unesco. Denn Friedensgestaltung erfolgt durch den Abbau von Feindbildern und Vertrauensbildung geschieht durch friedliche Zusammenarbeit in Bildung, Wissenschaft und Kommunikation. Als integraler Bestandteil der Unesco können wir uns so am Unesco-Bildungsprogramm "Bildung für alle" beteiligen. Bereits jetzt laufen zahlreiche Projekte im Bildungsbereich wie Hochschul- und Forschungskooperationen, die nur durch unsere Mitgliedschaft eine kontinuierliche Nachhaltigkeit aufweisen kann.

"Wir sind ein unterdrücktes Volk"

Unser Antrag hat im Vorfeld und insbesondere nach der Aufnahme in die Unesco hohe Wellen geschlagen. Auf diese Reaktion kann ich sowohl als Vertreter meiner Regierung als auch als Privatperson nur mit einem verständnislosen Kopfschütteln antworten. Wir sind ein unterdrücktes Volk und leben seit über 40 Jahren unter israelischer Besatzung. Unser kulturelles Erbe, welches unsere Geschichte erzählt und unsere Identität widerspiegelt, wird uns zunehmend beraubt und zerstört. Unsere kulturelle Vergangenheit können wir nur unter der Voraussetzung bewahren und wiederherstellen, wenn die Völkergemeinschaft uns helfend unter die Arme greift.

Unser Beitrag hierzu ist unser fester Wille, mit allen Beteiligten Frieden zu fördern und zu schaffen. Für ein Volk unter Besatzung ist das fraglos ein überlebenswichtiges Anliegen. Wenn dieses Anliegen allerdings vorerst nicht auf der politischen Bühne erfolgen kann, dann müssen alternative Wege beschritten werden. Und auch hier gehen wir konform mit der Präambel der Unesco-Verfassung: "Da Kriege im Geist der Menschen entstehen, muss auch der Frieden im Geist der Menschen verankert werden."


Salah Abdel Shafi ist der Generaldelegierte Palästinas in Deutschland.