Jedes Jahr von Neuem wird er aus drei- und viereckigen Teilen zusammengesetzt. Vorsichtig, damit keiner der spitzen Strahlen einen Knick bekommt. Dabei gibt es den Herrnhuter Stern längst nicht mehr nur aus Papier, sondern auch aus Kunststoffmaterial für den Außenbereich. Es gibt Lichterketten aus kleinen Sternen und große für Säle oder Kirchen. Ein ganz besonderes Exemplar leuchtet im Advent aus der "Steinernen Laterne" ganz oben auf der Dresdner Frauenkirche. Mit 1,90 Metern Durchmesser ist er einmalig und aus Kunststoff und Aluminium hergestellt.
Stahlseile und Schrauben halten ihn auch bei Wind und Wetter dort oben fest, so dass das Licht des Advents jeden erreichen kann, der den Blick zur mächtigen Kuppel der Frauenkirche erhebt. Seit dem 1. Advent 2004 wird er jedes Jahr dort in luftiger Höhe zusammengebaut – zurückgehend übrigens auf Konstruktionspläne aus dem Jahr 1920.
Erfunden im 19. Jahrhundert
So lange und schon viel länger gibt es den vielzackigen Stern, der wie kaum ein anderer nicht nur für evangelische Christen die Hoffnung des Advents und das Licht der Weihnacht repräsentiert. Er hat eine lange und wechselvolle Geschichte und ist untrennbar mit der Herrnhuter Brüdergemeine verbunden, die in Zeiten der Reformation entstand.
Ihr Name leitet sich davon ab, dass sich ihre Anhänger "unter des Herrn Hut" sammeln, aber auch "für den Herrn auf der Hut" sein wollten. Im Zuge der Gegenreformation wurden sie in ihrer Heimat Böhmen und Mähren verfolgt. 1722 fanden sie Aufnahme auf dem Land des Grafen Zinzendorf in der Oberlausitz und nannten ihr Dorf "Herrnhut".
Viele Geschichten werden erzählt, nicht alle lassen sich belegen. Aber es sind schöne und anrührende Geschichten wie diese: Im 19. Jahrhundert waren die Herrnhuter bekannt und geschätzt für ihre guten Schulen. Im Knabeninternat von Niesky soll ein Lehrer den Stern entworfen haben, um den Knaben die mathematische Berechnung eines Körpers aus vielen Flächen nahezubringen.
Zu Beginn mit 25 Zacken
Auch von Sternen, die im Sommer aufgehängt wurden, ist die Rede. Ende des 19. Jahrhunderts dann taucht der Begriff des Weihnachtssterns auf. Er sollte den Söhnen der Herrnhuter Missionare, die in die Welt gezogen waren, in den Heimatinternaten ein Gefühl von Geborgenheit zum Weihnachtsfest vermitteln. Nachdem sie ihn in der Adventszeit gemeinsam gebastelt hatten, sangen die Jungen gemeinsam mit ihrem Lehrer das Lied "Morgenstern auf finstre Nacht".
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1894 war es schließlich so weit. Der Herrnhuter Stern ging sozusagen "in Serie". In der Buch-, Kunst-, Musikalien und Papierhandlung von Pieter Hendrik Verbeek in Herrnhut konnte man fortan einen Modellbogen zum Basteln eines Weihnachtssterns erwerben. Später wurde dort ein zusammensetzbarer Stern mit 50 Zentimetern Durchmesser entwickelt, der sich leichter aufbewahren ließ: Er besaß 25 Zacken, 17 viereckige und acht dreieckige.
Der geschäftstüchtige Verbeek ließ sich den Stern patentieren und schloss mit der Brüder-Unität einen Vertrag zur Gründung der ersten Sternmanufaktur. Der Stern, der schließlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt wurde – ein körperloses Modell, dessen Zacken an ihrer Basis direkt miteinander verbunden wurden – hat bis heute Bestand. Nur der Zusammenbau ist inzwischen leichter geworden.
Die Politik ließ den Stern zeitweise verschwinden
Die politische Entwicklung in den 30er Jahren ging auch an der "Sternelei", wie der Betrieb gerne genannt wurde, nicht spurlos vorüber. Das Exportgeschäft ging zurück, und ab 1939 musste der Betrieb zur Kriegsvorbereitung auf "Wehrwirtschaft" umgestellt werden. Sterne und christliches Gedankengut waren nicht länger erwünscht, die Rohstoffe wurden knapp. Im Kriegswinter 1942/43 beschäftigte schließlich auch die Sternelei von den Nazis zugewiesene Arbeiterinnen aus Polen und dem Elsass.
Der Neubeginn nach dem Krieg war nicht einfach. Stellte man zunächst noch praktische Haushaltsartikel her, so kam nach Drahtkörben, Brotbackformen und Aktentaschen aus Pappe auch der Stern wieder in den Blick. Ab 1956 wurden die Sterne offiziell vom "Volkseigenen Betrieb Oberlausitzer Stern- und Lampenschirmfabrik" in den Westen verkauft.
Wiedersehen auf dem Weihnachtsmarkt
1990 folgte ein weiterer Neuanfang: Das einst so beliebte Accessoire auf den Weihnachtsmärkten überall im Land zu verkaufen, war für die Sternelei eine zunächst ungewohnte Tätigkeit. Im Trabi fuhren zwei Mitarbeiter mit einem Tapeziertisch und einer Auswahl Sterne los, in der Hoffnung, etwas zu verkaufen. Zunächst lief das Geschäft schleppend, aber nach und nach entstand ein neues Vertriebsnetz, und die Auslandskontakte der Herrnhuter trugen zur Ausweitung des Geschäfts bei.
Heute produziert die inzwischen in eine GmbH übergegangene Herrnhuter Sterne GmbH 250.000 Exemplare jährlich. Ein neues Fabrikgebäude, eine Schauwerkstatt und ein Ladengeschäft kamen inzwischen hinzu, und 2011 wird eine alte Tradition wieder aufgenommen: Vor der Manufaktur leuchtet in der Adventszeit ein großer Weihnachtsbaum, den am Vorabend des 1. Advent das "Sternenkind" anschaltete.
Lieselotte Wendl arbeitet als freie Journalistin in Frankfurt.