Es ist ein stattlicher Kerl, der da lässig seinen linken Arm auf die Sessellehne stützt. Mit offenem Blick schaut der Mann aus dem großformatigen Foto. Es zeigt den Bremer Werner Düring und hängt über dem Sofa des 78-Jährigen. Wenn er tot ist, soll das Bild während der Trauerfeier neben seinem Sarg stehen. Das Foto gehört zu den Dingen, die der lebenslustige und tief gläubige Mann bereits für seine eigene Bestattung vorbereitet hat - neben vielen Papieren. In einer Dokumentenfolie hat er das Ende seines Lebens abgelegt.
"Time to say goodbye"
Dazu zählt auch eine Todesanzeige, 135 mal 93 Millimeter groß, links oben wieder das Foto. "Ich bin dann mal weg..." verkündet darauf ein Schriftzug, ein Zitat des Schauspielers und Komikers Hape Kerkeling. "Der Spruch passt zu mir", sagt der ehemalige Seemann und Feinblechner, der zu Lebzeiten seine Beerdigung gestaltet. Eine Seebestattung soll es auf jeden Fall sein, ein einfacher Sarg, eine schlichte Urne. Und bitte, jemand soll den Klassiker singen: "Time to say goodbye."
Seit dem Tod seiner letzten Frau vor ein paar Jahren hat Werner Düring einen Plan, was zu tun ist, wenn er stirbt. Seine Tochter weiß davon. "Ich liebe das Meer, die Weite, den Sonnenuntergang", begründet er seine Entscheidung für die Seebestattung in der Deutschen Bucht und zieht einen gelben Schein aus seiner Brieftasche hervor. "Anordnung für den Todesfall" ist auf dem scheckkartengroßen Papier zu lesen. Es gibt Auskunft über das Bestattungsinstitut, mit dem Düring einen Vorsorgevertrag abgeschlossen hat.
"Wer für seine Bestattung vorsorgt, schafft Sicherheit"
Auch wenn die Zahl derartiger Verträge nach Angaben der Verbraucherinitiative "Aeternitas" in Königswinter bundesweit steigt - es ist nach wie vor eine Minderheit, die wie Düring aktiv wird. Früher habe sich ganz selbstverständlich die Familie um die notwendigen Entscheidungen gekümmert, sagt Aeternitas-Berater Alexander Helbach. Heute wachse der Anteil alleinlebender Menschen. Zudem gebe es zwischen Friedwald und Seebestattung so viele Möglichkeiten, die auch zu Verunsicherungen führten.
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Dazu kommt: Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod, mit Fragen nach Bestattungsvorsorge, Testament, Vollmachten ist für viele noch immer ein Tabu. Obwohl der Tod zum Leben dazugehört, steht in Traueranzeigen für 90-Jährige zuweilen, sie seien "plötzlich und unerwartet" gestorben. "Viele haben die Angst, wenn ich heute einen Vorsorgevertrag unterschreibe, sterbe ich morgen", glaubt Düring.
"Wer für seine Bestattung vorsorgt, schafft Sicherheit - für sich und seine Angehörigen", sagt Helbach. Dazu gehöre die finanzielle Vorsorge, etwa über Sterbegeldversicherungen oder Treuhandkonten bei Bestattern. Der Vorsitzende des Bremer Bestatterverbandes, Christian Stubbe, bestätigt das. "Die Schwelle eines Bestattungsinstitutes zu überschreiten, das ist schwierig. Aber die, die diesen Schritt gegangen sind, denen fällt ein Stein vom Herzen."
Dem Bremer Düring fiel das nicht schwer. Er hat schon mehrfach Erfahrungen mit dem Tod machen müssen. Zwei Ehefrauen hat er in seinem Haus bis zu ihrem Lebensende gepflegt, eine gute Freundin beerdigt. Ihm selbst geht es nicht besonders gut. Aber er schaut auf ein erfülltes Leben zurück: "Wenn es so weit ist, sage ich Dankeschön, dass ich so alt werden durfte - und dann kann ich auch gehen." Wichtig ist ihm nur, dass er am Ende "nicht an irgendwelche Maschinen" angeschlossen wird. Deshalb hat er eine Patientenverfügung formuliert.
"Innerer Abschied": Beizeiten um Vergebung bitten
Auch der Bremer Theologe und Trauerexperte Klaus Dirschauer (75) hat für den Fall der Fälle vorgesorgt. Auf dem Bildschirm seines Computers findet sich ein Dateiordner mit dem Titel "In meinem Todesfall". Dazu gehören neben dem Entwurf einer Todesanzeige die Patientenverfügung als zentrales Dokument, eine notarielle Vorsorgevollmacht und eine Liste mit den Namen und Adressen von Angehörigen, Freunden und Institutionen. "Für Lebens- und Todesfälle" lautet ihr Titel.
Das Haus bestellen, das ist Dirschauers Ziel auch mit "biografischen Gesprächen", die er seit Jahren immer mal wieder mit seinen Kindern führt. Beispielsweise bei einem guten Essen oder beim Spaziergang. "Nicht, dass am Ende einer sagen muss: Ach, wäre doch schön gewesen, wir hätten noch mal drüber gesprochen." Zum "inneren Abschied" gehört es für ihn überdies, Menschen beizeiten um Vergebung zu bitten und sich spirituell Gott zuzuwenden.
"Am Ende kümmert sich ein anderer um mich", ist Düring überzeugt. In seinen Worten schwingt mit, was die Darmstädter Schriftstellerin Gabriele Wohmann in ihrem Essay "Sterben ist Mist, der Tod aber schön" durchscheinen lässt: In kurzen Geschichten skizziert sie Träume vom Himmel und ermuntert dazu, der Sehnsucht zu trauen, dass der Schlusspunkt der Anfang ist. Der Anfang von etwas ganz Anderem.
Buchtipp: Gabriele Wohmann, "Sterben ist Mist, der Tod aber schön", Kreuz Verlag Freiburg 2011, 119 Seiten, 14,95 Euro