Die CDU-Spitze will auch bei einem flächendeckenden Mindestlohn regionale Ausnahmen unter dieser Marke zulassen. "Wir legen keine Zahlengrenze fest", sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe der Nachrichtenagentur dpa vor der für Montag Abend geplanten Debatte über Lohnuntergrenzen auf dem CDU-Bundesparteitag in Leipzig.
Jene etwa zehn Mindestlöhne, auf die sich die Tarifpartner bereits geeinigt hätten, seien eine Orientierung für die künftig durch eine Kommission aus Gewerkschaften und Arbeitgebern festzulegenden Untergrenze. "Die kann in begründeten Ausnahmefällen vielleicht unterschritten werden müssen. Vielleicht wird sie deutlich drüber liegen", sagte Gröhe. "Aber das soll nicht die Politik entscheiden. Da vertrauen wir wirklich der Klugheit von Gewerkschaften und Arbeitgebern."
Die CDU hatte am Sonntagnachmittag überraschend ihren Streit um die Einführung von Mindestlöhnen beigelegt und so wohl eine offene Auseinandersetzung auf dem Parteitag abgewendet. Demnach soll es eine allgemeinverbindliche Lohnuntergrenze geben, die sich an einem Korridor der bisher etwa zehn ausgehandelten Mindestlöhne orientiert. Ausdrücklich wird festgehalten, dass die Kommission der Tarifpartner Einzelheiten und weitere Differenzierungen aushandeln kann.
"Regionalisierung und Differenzierung möglich"
Gröhe sagte der dpa: "Ich glaube nicht, dass es zu einem Flickenteppich kommt von ganz, ganz vielen Untergrenzen." Die Tarifparteien sollten eine Linie oder Ausnahmen festlegen. "Oder die sagen, wir machen drei Linien. Das finde ich, kann man wirklich denen überlassen." In der zurückliegenden Wirtschaftskrise hätten beide Sozialpartner bewiesen, "dass man das zusammenhalten kann, wirtschaftliche Vernunft und soziale Verantwortung".
Mit Blick auf mögliche Einigungschancen mit dem kleinen Koalitionspartner FDP sagte Gröhe, es gebe dort durchaus ermutigende Stimmen. "Wir wollen jetzt erstmal unsere Meinung bilden, dann mit andern reden. Und salopp gesagt, dann kommt's entweder ins Gesetzesblatt oder ins Wahlprogramm."
Unionsfraktionsvize Michael Fuchs (CDU) betonte, bei dem Kompromiss gehe es keineswegs um bundesweit flächendeckende Lohnuntergrenzen. Der Begriff flächendeckend sei auf regionale Ebenen bezogen. Auch Tarifabschlüsse würden größtenteils nicht bundesweit ausgehandelt, sondern in Regionen. Mit der Einigung seien "Regionalisierung und Differenzierung möglich".
Der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Karl-Josef Laumann, sagte der dpa, er sei mit dem Kompromiss einverstanden, weil es eine allgemeine und verbindliche Lohnuntergrenze geben solle. Er glaube nicht, dass es "jetzt eine Masse branchenspezifischer und regionaler Mindestlöhne" geben werde. "Da steht Grenze drin und nicht Grenzen", sagte er mit Blick auf die Kompromissformulierung. Auf alle Fälle werde es mit dieser Regelung nicht so viele Schlupflöcher in den Untergrenzen geben, "wie es sich einige wünschen", sagte Laumann.
"Gewinner sind Menschen, die zu niedrigsten Stundenlöhnen arbeiten"
Mit Debatten über die Zukunft Europas und den Mindestlohn beginnt am heutigen Montag offiziell der CDU-Bundesparteitag in Leipzig. Zum Auftakt des zweitägigen Kongresses spricht die Parteivorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel zu den 1001 Delegierten. Am Abend wird CSU-Chef Horst Seehofer zum traditionellen Grußwort erwartet. Am morgigen Dienstag wollen die Christdemokraten in Leipzig eine neue Schulpolitik beschließen und sich voraussichtlich weitgehend von der Hauptschule verabschieden.
Merkel hatte am Sonntagnachmittag zum Thema Mindestlohn gesagt: "Über die Einzelheiten werden wir sicherlich noch Diskussionen haben." Danach setzte sich unter Gröhes Leitung eine Gruppe mit den streitenden Flügeln um Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, Umweltminister Norbert Röttgen, CDA-Chef Laumann und mehreren Vertretern der Länder zusammen und arbeitete die neue Linie aus. Von der Leyen sagte danach: "Gewinner sind die Menschen, die fleißig zu niedrigsten Stundenlöhnen arbeiten."
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte der "Leipziger Volkszeitung" (Montag) über Schwarz-Gelb im Bund: "Die erste Halbzeit unserer Koalition mit der FDP war nicht gut. Die Ergebnisse stimmen, aber nicht das Bild, das wir abgegeben haben." Mit den Beschlüssen beim jüngsten Koalitionsgipfel sei aber "nun die Basis gelegt, dass es besser wird", gab sich Kauder zuversichtlich. "Die Menschen wollten von dieser Regierung Ergebnisse. Die bringen wir jetzt. Und das wird Union und FDP gemeinsam nützen."