TV-Tipp des Tages: "Verschollen am Kap" (ZDF)
Gelungene Kombination aus Ökothriller und Familiendrama: Vater Claas arbeitet für Gerag, einen Berliner Energiekonzern mit globalen Ambitionen, Tochter Klara geht für ein Jahr nach Afrika, um "das Karma unserer Familie aufzubessern".
11.11.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Verschollen am Kap", 14. November, 20.15 Uhr im Zweiten

Noch ist Öl das Schmiermittel der Zivilisation, doch schon bald werden Kriege ums Trinkwasser entbrennen. Auf wirtschaftlicher Ebene werden sie schon heute geführt. Weil das Thema zwar fesselnd ist, hierzulande aber wohl nicht mehrheitsfähig wäre, erzählt Autor Christian Jeltsch seine Geschichte als Familiendrama: Vater Claas (Heino Ferch) arbeitet für Gerag, einen Berliner Energiekonzern mit globalen Ambitionen, Tochter Klara (Nadja Bobyleva) geht für ein Jahr nach Afrika, um "das Karma unserer Familie aufzubessern". Zwischen den beiden und damit auch zwischen den Stühlen: Mutter Judith (Barbar Auer), die sich allerdings bald auf die Seite der Tochter schlägt, als sie erkennen muss, dass ihr Mann womöglich wissentlich eine ökologische Katastrophe verursacht hat.

Kombination aus Ökothriller und Familiendrama

Erst nach und nach gibt Jeltsch die ganze Dimension der Handlung preis. Am wenigsten Identifikationsfigur, aber trotzdem spannendste Person der Geschichte ist daher Claas Lohmann, der zunächst als überforderter Vater einer trotzigen Tochter und äußerst ehrgeiziges Vorstandsmitglied des Gerag-Konzerns nicht mal unsympathisch ist; auch wenn er seiner Karriere einen kleinen Schub gibt, indem er mit Hilfe eines Tricks anstelle seines Chefs eine aufsehenerregende Rede hält. Gemeinsam mit Gattin Judith aber zweifelt man zunehmend an Lohmann. Als das Unternehmen vor Jahren den südafrikanischen Markt verlor, entwickelte er mit der Operation "Schwarzes Wasser" einen abenteuerlichen Plan: Ein Chemielaster sollte in jenen See stürzen, der die wichtigste Trinkwasserquelle für Kapstadt darstellt.

Gerag hätte das Wasser gereinigt, Kapstadt gerettet und sich so unverzichtbar gemacht. Nun wird das Szenario Wirklichkeit; offenbar hat Lohmann sein Vorhaben realisiert. Dass seine Tochter zwischen die Fronten geraten würde, konnte er nicht ahnen: Klara ist mittlerweile mit einem südafrikanischen Umweltschützer liiert, der von der Polizei gejagt wird. Klara wird entführt und gefoltert, sie soll das Versteck ihres Freundes verraten. Das Ehepaar nimmt den Kampf mit einem Gegner auf, der übermächtig scheint.

Die Kombination aus Ökothriller und Familiendrama ist Jeltsch und Regisseur Andreas Senn über weite Strecken richtig gut gelungen. Der Krieg ums Wasser ist ein ebenso reizvoller wie hochbrisanter Hintergrund. Die Verschleppung Klaras sorgt naturgemäß für zusätzlichen Nervenkitzel, so dass "Verschollen am Kap" auf gleich drei Ebenen Spannung entwickelt. Gerade den ersten Teil hat Senn auch ungemein dicht umgesetzt. In Teil zwei geht dem Film dann etwas die Luft aus. Die erste Hälfte wirkt unnötig gestreckt, eine Verfolgungsjagd ist wenig fesselnd, und auch die Suche Lohmanns nach seiner Frau hätte kompakter inszeniert werden können. Kurz drauf überschlagen sich die Ereignisse allerdings wieder, als die mittlerweile befreite Klara erkennt, wer tatsächlich hinter dem Komplott steckt; und prompt nach einem Unfall ins Koma fällt.

Zweiter Teil am 17. November

Großes Lob gebührt Jeltsch und Senn in jedem Fall für die politische Dimension der Handlung: Auch ohne das Familiendrama wäre "Verschollen am Kap" ein packender Wirtschafts-Thriller. Erst recht sehenswert wird der Zweiteiler durch die Besetzung. Für Heino Ferch ist Lohmann die perfekte Rolle, gerade weil man lange nicht schlau aus dem begnadeten Strategen wird. Barbara Auer wiederum ist eminent überzeugend: als Mutter, die Angst um ihre Tochter hat, wie auch als Ehefrau, die aus allen Wolken fällt, weil der Mann an ihrer Seite skrupellos über Leichen zu gehen scheint. Die aus vielerlei Gründen reizvollste Rolle spielt dennoch der Däne Jesper Christensen als südafrikanischer Freund Lohmanns. Den zweiten Teil zeigt das ZDF am Donnerstag, den 17. November.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).