TV-Tipp: "Polizeiruf 110: Denn sie wissen nicht..." (3sat)
Als zwei Taschendiebinnen von einem Rucksack mit einer Bombe berichten, nimmt Meuffels die Hinweise ernster als seine Kollegen und überlegt gemeinsam mit Assistentin Anna, welche Örtlichkeit als Terrorziel in Frage käme.
11.11.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Polizeiruf 110: Denn sie wissen nicht, was sie tun", 12. November, 22.25 Uhr in 3sat

Deshalb also gibt es die regelmäßigen Kabbeleien zwischen den Ermittler-Teams am Sonntagabend: Damit jugendliche Zuschauer auch garantiert Momente der Entspannung bekommen. Jedenfalls ist dies, das weitgehende Fehlen von Entspannung, der Grund, warum die Jugendschutzbeauftragte des Bayerischen Rundfunks (BR), Sabine Mader, empfohlen hat, den zweiten "Polizeiruf" mit Matthias Brandt erst zu einer späteren Uhrzeit auszustrahlen.

Die Entscheidung ist ebenso respektabel wie diskutabel. In der Tat baut der von Hans Steinbichler ("Winterreise") hochkonzentriert umgesetzte Krimi eine Spannung auf, die er auch konstant hält. Aber das gilt für die Thriller etwa von Dominik Graf nicht minder. Bei Grafs Filmen kommt hinzu, dass ein junges Publikum der Handlung vermutlich oft gar nicht folgen kann; aber das war bislang noch nie ein Grund, eines seiner Werke zu verschieben. Die Jugendschutzbeauftragte befürchtet zudem, bei Kindern und Jugendlichen unter 14 Jahren bestehe darüber hinaus das "Risiko einer nachhaltigen Angsterzeugung". Alle Jugendlichen, die nun hoffen, mal einen richtig packenden "Polizeiruf" zu sehen, werden ziemlich enttäuscht sein: Der Film ist über weite Strecken ein Kammerspiel, das vor allem vom herausragenden Talent Matthias Brandts lebt.

In einem Fußgängertunnel explodiert eine Bombe

Kommissar Hanns von Meuffels (Brandt) vernimmt zu Beginn einen Mann (Alexander Beyer in einer Gastrolle), der ein Mädchen missbraucht hat und sich umbringt. Als kurz drauf zwei Taschendiebinnen von einem Rucksack mit einer Bombe berichten, nimmt Meuffels die Hinweise ernster als seine Kollegen und überlegt gemeinsam mit seiner neuer Assistentin Anna (Anna Maria Sturm), welche belebte Örtlichkeit als Terrorziel in Frage käme. Als er das im abendlichen München weithin sichtbare rot erleuchtete Stadion sieht, liegt die Antwort auf der Hand.

Vor den Toren der Arena entdecken die beiden einen verdächtigen jungen Mann und verfolgen ihn in einen Fußgängertunnel; dort explodiert die Bombe. Fortan wechselt die Erzählperspektive ständig hin und her: hier Kommissar von Meuffels, der einen unter Betonplatten begrabenen jungen Mann (Sebastian Urzendowsky) beim Sterben begleitet, dort der überforderte Krisenstab, dessen Mitglieder, Repräsentanten von Kripo, LKA und Staatsschutz, sich gegenseitig die Kompetenzen streitig machen. Der BR hat dementiert, dass auch die Hilflosigkeit und das weitgehende Versagen der Ordnungshüter ein Grund für die Verschiebung seien.

Natürlich sind die kriegsähnlichen Szenen im Tunnel mit all den Toten und den Schmerzensschreien der Verletzten bedrückend. Doch das Drehbuch von Christian Jeltsch konzentriert sich auf Meuffels, der das richtige Gespür hat: Er ahnt, dass es irgendwo in München eine zweite Bombe gibt; und dass der junge Mann, dem er Trost zuspricht, ihm dabei helfen kann, sie zu finden. Ein sehenswerter Film, eher Thriller als Krimi, in dem Sigi Zimmerschied als desillusionierter Polizist immer wieder für kabarettistische Einlagen ("Das Nichts läuft auf vollen Touren") sorgt.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).