Wenn das Entwicklungsministerium heute im Berliner Konzerthaus sein 50-jähriges Bestehen feiert, werden einige Stühle leer bleiben. Drei ehemalige SPD-Ressortchefs haben ihre Teilnahme im Zorn abgesagt: Egon Bahr, Erhard Eppler und Heidemarie Wieczorek-Zeul. Misstöne begleiten das Jubiläum des Hauses, das seit zwei Jahren von Dirk Niebel (FDP) geleitet wird.
Grund für die Absage der SPD-Politiker ist, dass Niebel seinem Vorgänger Eppler kein Grußwort bei der Feier gestattet. Neben Bundespräsident Christian Wulff soll nur der amtierende Minister reden, so der Plan. Doch das Zerwürfnis mit der SPD, die bisher immerhin 25 von 50 Jahren den Entwicklungsminister oder die -ministerin stellte, geht tiefer. Es ist nicht nur ein Richtungsstreit über die deutschen Interessen und die Rolle der Privatwirtschaft.
Ursprünglich wollte Niebel das Ministerium abschaffen
Als ehemaliger FDP-Generalsekretär versteht sich Niebel auf den Schlagabtausch. Er polarisiert. Und dies in einem oft wenig beachteten Politikfeld, in dem die Experten in den Fraktionen häufig über Parteigrenzen hinweg zusammen für mehr Geld für die Aids- oder Armutsbekämpfung streiten. Bei seinem Amtsantritt gab Niebel offen zu, dass die FDP mit dem Thema Entwicklungspolitik fremdelt. Schließlich wollte sie das Ministerium sogar ins Auswärtige Amt eingliedern. Seither lästert er bei jeder Gelegenheit über "Entwicklungshelfer im selbst gestrickten Alapaka-Pullover", die verschwinden müssten, ebenso wie "Tanztherapeuten zur Traumabewältigung". Er wolle heraus "aus der Kuschelecke".
Der SPD-Politiker Sascha Raabe wirft ihm vor, Menschen verächtlich zu machen, die wichtige Arbeit leisteten. Dabei denkt er wohl an das Einfühlungsvermögen, das es braucht, um mit den Ärmsten in den Anden oder im Regenwald auf Augenhöhe ins Gespräch zu kommen. Oder den Überlebenden von Kriegen und Katastrophen beizustehen. Der FDP-Minister versteht sein Haus indes auch nicht als "Weltsozialamt" oder als "Armutsministerium". Also will er ein wirtschaftsnahes Ressort mit Effizienz-Managern in Nadelstreifen, das der FDP-Klientel gefällt? "Big Business und Cohiba" soll es aber auch nicht sein. Dabei ist allen klar, dass Kursänderungen in der Entwicklungspolitik nur allmählich möglich sind, wegen langfristiger internationaler Vereinbarungen.
Obsessiver Feldzug gegen "Linkstendenzen"?
Besonders seiner direkten Vorgängerin, der "roten Heidi", schenkt der Liberale mit der Militärmütze nichts. "Es ehrt mich, dass Frau Wieczorek-Zeul mir vorwirft, ich machte eine andere Politik im Ministerium als sie", sagte er kürzlich der "Leipziger Volkszeitung". Leider habe er noch nicht alle Spuren ihrer Arbeit beseitigt, frotzelte er über die elfjährige Amtszeit der SPD-Linken. "Aber ich arbeite weiter daran." Für den SPD-Fraktionsvize Gernot Erler grenzt Niebels Feldzug gegen angebliche "Linkstendenzen" an Obsession. Wieczorek-Zeul war länger im Amt als alle ihre Vorgänger, sie leitete das Amt unter Rot-Grün und Schwarz-Rot. Und sie fand auch bei politischen Gegnern Anerkennung für ihr Bemühen, den Kampf gegen die Armut voranzutreiben. Auf Kritik stieß sie aber manches Mal mit USA- und Israel-kritischen Äußerungen.
Dass Niebel sich nicht zu der großzügigen Geste bereitfand, Grußworte aus anderen Parteien zu gestatten, begründet er ausgerechnet mit dem Prozedere seiner Vorgängerin - an der er doch kein gutes Haar lässt. Bei der 40-Jahr-Feier habe nur Wieczorek-Zeul gesprochen, lässt er verlauten. Bei all der Polemik schlägt der Minister in Reden oder Talks zwischendurch auch versöhnliche Töne an: Für die von ihm stark propagierte Zusammenarbeit mit der Wirtschaft stünden in seinem 6-Milliarden-Etat doch nur knapp 60 Millionen Euro bereit - ein Prozent, schränkt er ein.
Die Entwicklungspolitik soll in die Mitte der Gesellschaft rücken. Und Niebel stellt heraus, dass er auch bei den Bürgern um ehrenamtliches Engagement dafür werbe. Doch ist das die Aufgabe eines Ministers? fragt sich etwa Danuta Sacher, Geschäftsführerin des Kinderhilfswerks terre des hommes. Sie schreibt dem Minister ins Stammbuch: "Sorgen Sie dafür, dass die Entwicklungspolitik in die Mitte des Kabinettstisches rückt."