Die Nationalsozialisten deportierten alle Speyerer Juden und ermordeten 82 von ihnen, die meisten im Konzentrationslager Auschwitz. Ihre Namen wurden auf einer Bronzetafel am Standort der ehemaligen Synagoge, auf dem heute ein Kaufhaus steht, eingraviert.
Die neue Synagoge markiert einen Neubeginn. Die Jüdische Gemeinde der Rheinpfalz, die auch für Speyerer Juden zuständig ist, finanzierte dieses dreieinhalb Millionen Euro teure Bethaus zusammen mit der Stadt und dem Land Rheinland-Pfalz. Noch in diesem Jahr verlegt die Kultusgemeinde ihre Verwaltung in das neue Haus.
Für Geschäftsführer Daniel Nemirovski (Bild links, Foto: Igal Avidan), dessen neues Büro sich direkt über dem Betraum befindet, ist dies ein deutliches Zeichen dafür, "dass wir wieder hier sind, im Stadtzentrum, denn wir möchten uns von niemandem verstecken".
Der Standort ist historisch: Auf dem Weidenberg wurden um 1030 ein Kloster und ein Stift gegründet. 1047 ließ Kaiser Heinrich III. die Gebeine des heiligen Abtes Guido von Pomposa in das Stift übertragen, das seitdem St.-Guido-Stift genannt wurde. Nach der Zerstörung im 18. Jahrhundert bauten die katholischen Missionare des Ordens der Spiritaner das Kloster 1922 wieder auf, 1935 weihten sie nebenan die Sankt-Guido-Kirche ein.
Wegen Nachwuchsmangel mussten sie diesen Standort 1996 aufgeben. Zu dieser Zeit ließen die ersten Juden sich in Speyer nach der Shoah nieder. Für sie baute der Frankfurter Architekt Alfred Jacoby die verwaiste Stiftskirche in eine Synagoge um. "Mein Entwurf nimmt Bezug auf die christliche Geschichte Speyers", sagt er. Von innen geben die Fenster den Blick auf den Dom und einige Kirchen frei.
Ist der Weg zur Synagoge koscher?
Der Standort stellte Jacoby und die Kultusgemeinde vor ein theologisches Problem. "Wir vermuteten, dass hier früher Begräbnisse stattfanden", erläutert Nemirovski. "Früher war es bei Christen üblich, ihre Tote direkt neben der Kirche zu begraben", sagt Rabbiner Zeev-Wolf Rubins, der die Speyerer Kultusgemeinde betreut. "Ich machte mir große Sorgen um die 'Cohanim'".
Diese jüdischen Nachfahren der Priester im Tempel von Jerusalem müssen rein bleiben und mit Ausnahme der engsten Verwandten Abstand von Verstorbenen halten. Daher dürfen sie keinen Friedhof betreten, auch keinen jüdischen, geschweige denn einen christlichen. Nach sorgfältiger Prüfung wurde der Weg, der zur Synagoge hinunterführt, für koscher erklärt, weil die Räumung der Gräber nachgewiesen werden konnte. "Ein großer Fels trennt den anderen Weg von jeglichen menschlichen Überresten", sagt Rabbiner Rubins.
Die Besucher, die diesen kurzen Weg zum Weidenberg hochlaufen, werden am Shabbat und an jüdischen Feiertagen viele Gebetsstimmen vernehmen. Rechts vom Weg, den die Gemeinde nun in "Synagogengasse" umbenennen will, steht der elliptisch geformte weiße Betraum. Ihn schmücken ein schwarzes Metallgerüst mit einem goldenen Davidstern und die zehn vergoldeten Gebote (Bild links, Foto: dpa). Geradeaus ragt hinter dem flachen Gebäude die Spitze eines Kirchturms mit Kreuz gen Himmel. Es erinnert an das St.-Guido-Stift.
Bedeutende Geschichte
Die jüdische Gemeinde gehörte im Mittelalter zusammen mit den Gemeinden in Worms und Mainz zu den wichtigsten in Mitteleuropa. Manche rabbinischen Urteile der sogenannten "Weisen von Speyer" aus dem Mittelalter sind bis heute ein Bestandteil der jüdischen Vorschriften. Die neue Gemeinde, die ausschließlich aus Einwanderern aus den GUS-Staaten besteht, kann da nicht mithalten.
"Wir beteten in einem städtischen Bürohaus", berichtet Vize-Vorstandsvorsitzender Georgij Aschkenasi. "Dort trafen wir uns zweimal im Monat, am Freitagabend und am Samstagmorgen. An zwei Samstagen fand das Gebet in Ludwigshafen statt. Nur wenige der fast 80 Mitglieder kommen zum Gottesdienst, denn viele Männer sind alt und krank." Rabbiner Rubins aus Karlsruhe besucht sie jeden Donnerstag und gelegentlich an jüdischen Feiertagen. Durch die neue Synagoge erhofft sich Aschkenasi einen stabilen Minjan, das ist ein Kreis aus zehn mündigen jüdischen Männer für einen orthodoxen Gottesdienst.
Die Evangelische Kirche der Pfalz will die historische Einweihung dazu nutzen, den christlich-jüdischen Dialog zu intensivieren, wie Kirchenpräsident Christian Schad erklärte. Gemeinsam mit dem Bistum Speyer und den protestantischen und katholischen Kirchengemeinden Speyers wird sie eine Menora, einen siebenarmigen Leuchter, als Geschenk für die Synagoge überreichen. Auf Beschluss des Gemeindevorstands heißt die neue Synagoge "Beith Shalom" - Hebräisch für "Haus des Friedens".
Igal Avidan ist freier Journalist in Berlin.