"Allahu akbar" - Gott ist groß - rufen die verzweifelten Demonstranten in Syrien. Auch die Libyer, Tunesier, Jemeniten und Ägypter haben in diesem Jahr immer wieder Gott auf den Lippen getragen, wenn es darum ging, ihre despotischen Herrscher abzuschütteln. Doch der Hadsch, die islamische Pilgerfahrt nach Mekka, soll auch in diesem Jahr unpolitisch bleiben.
Das wünschen sich zumindest die Saudis, auf deren Staatsgebiet die heiligen Stätten des Islam liegen. Der Arabische Frühling ist ihnen suspekt. Sie erwarten, dass sich dort zum Höhepunkt des Hadsch an diesem Samstag mehr als drei Millionen Muslime aus aller Welt versammeln, um Gebete und Pilgerschaftsrituale zu absolvieren.
"Ich kam hierher, um Gott für unsere Befreiung zu danken"
Die Massenproteste und Revolutionen in Nordafrika und dem Nahen Osten haben die politische Landschaft in der Region nachhaltig verändert. Der Arabische Frühling hat das erzkonservative saudische Königshaus in eine verzwickte Situation gebracht. Einerseits freute man sich über den Sturz des libyschen Rivalen und Erzfeindes Muammer al-Gaddafi. Andererseits schickte die sunnitische Führung in Riad Panzer ins benachbarte Bahrain und half, Proteste der schiitischen Bevölkerungsmehrheit in dem Golfstaat brutal zu unterdrücken.
Die saudischen Behörden forderten die Pilger auf, sich während des Hadsch auf religiöse Themen zu konzentrieren. Politik und Unruhen sollen außen vor bleiben. Eine Aufforderung, die schwer in die Tat umzusetzen ist: "Ich kam hierher, um Gott für unsere Befreiung zu danken", erzählt der libysche Pilger Saeed Abdullah in Mekka. "Ich werde während des Hadsch für die Sicherheit meines Landes beten."
Auch muslimische Kleriker raten zur Konzentration auf Gott. "Ich denke, der Hadsch hat nichts mit dem sogenannten Arabischen Frühling und dem Sturz von mehreren arabischen Staatschefs durch Massenproteste zu tun", sagt der irakische Kleriker Scheich Mohannad al-Rikabi. Die Pilger wollten nur Gott näher sein. "Die Freude über die Veränderungen und den Sturz der Tyrannen ist groß, und die Menschen gratulieren sich gegenseitig, aber ich glaube nicht, dass dies auch während des Hadsch so sein wird," sagt der schiitische Kleriker.
Saudische Behörden warnen vor Verteilen von Flugblättern
Die saudischen Behörden warnen vor dem Verteilen von Flugblättern und anderen politischen Aktivitäten. Man sei auf alle Eventualitäten vorbereitet, erklärte der Innenminister und neu ernannte Thronfolger Prinz Naif Ibn Abdelasis. "Unsere Mittel sind friedlich", sagte der Kronprinz. "Aber wir werden Angriffe mit allen verfügbaren Mitteln verhindern."
Das heißeste Eisen in Mekka ist jedoch das jüngste Zerwürfnis zwischen Teheran und Riad wegen eines angeblichen iranischen Komplotts zu Ermordung des saudischen Botschafters in den USA. Der Iran bestreitet die Vorwürfe. Schon zuvor war das Verhältnis gespannt. Die beiden ölreichen Rivalen, das sunnitische Saudi-Arabien und der schiitische Iran, sehen sich beide als Schutzmächte für Muslime weltweit. Saudi-Arabien hat nach Unruhen innerhalb der schiitischen Minderheit des Landes Teheran indirekt der Einmischung beschuldigt. Iranische Pilger stellten jedoch keine Bedrohung dar, sagte Kronprinz Naif: "Die Iraner haben den Hadsch immer respektiert".
Höhepunkt der muslimischen Wallfahrt
In Saudi-Arabien haben sich zum Höhepunkt der jährlichen Wallfahrt rund drei Millionen muslimische Pilger auf dem Berg Arafat versammelt. Dort hatte Mohammed der Überlieferung nach vor 14 Jahrhunderten beim ersten Hadsch seine Abschiedspredigt gehalten. An der Stelle rund 25 Kilometer außerhalb von Mekka beteten am Samstag in weiß gekleidete Muslime und baten dabei Gott um Vergebung.
Der "Hadsch" gehört zu den fünf Grundsäulen im Islam. Jeder Muslim, der gesund ist und es sich leisten kann, sollte einmal im Leben nach Mekka pilgern. Zum Ritual des "Hadsch" zählt am Sonntag auch die symbolische Steinigung des Teufels. Die Pilger werfen dabei kleine Kieselsteine. Danach feiern Muslime weltweit ihr Opferfest. Eid al-Adha ist der wichtigste Feiertag im Islam.
Bis zum Samstagnachmittag gab es keine größeren Zwischenfälle. In den vergangenen Jahren hatte es wegen der Menschenmassen bei der Pilgerfahrt immer wieder tödliche Vorkommnisse gegeben. So starben 2006 etwa 350 Menschen, als es während der symbolischen Steinigung des Teufels auf dem Rückweg vom Berg Arafat nach Mekka zu einer Massenpanik kam.