G20-Gipfel verschärft Banken-Kontrolle
Fortschritt millimeterweise und kein Ende der Euro-Krise in Sicht: Auch der G20-Gipfel in Cannes schaffte keinen Durchbruch. Zwar werden Italiens Finanzgebaren unter verschärfte Überwachung gestellt, der Internationale Währungsfonds (IWF) immer mehr als Finanzfeuerwehr eingesetzt. Auch die weltweit größten Banken müssen künftig ihre Geschäfte sicherer machen. Doch unter der Hand lassen Gipfelteilnehmer keinen Zweifel: Der Weg aus der Euro-Krise ist noch sehr lang.
05.11.2011
Von Peer Meinert und Martin Romanczyk

Lehre aus der Lehman-Pleite: Die weltweit stärksten Banken sollen so umgebaut werden, dass Steuerzahler nicht mehr für Verluste aufkommen müssen. Das beschlossen die führenden Volkswirtschaften am Freitag zum Abschluss des G20-Gipfels im französischen Cannes. Um die Euro-Schuldenkrise einzudämmen, kommt der Internationale Währungsfonds (IWF) - eine Art Weltfinanz-Feuerwehr - den Europäern mit Expertise und Geld zur Hilfe. Italien, nach Griechenland das Land mit der gefährlichsten Verschuldung, stimmt Kontrollen des IWF und der EU zu. Lob gab es für den Dialog zwischen Regierung und Opposition in Griechenland.

Systemrelevante Banken werden restrukturiert

Die G20 weitet den Kampf gegen Spekulationsgeschäfte und Steuersünder aus. Sogenannte Schattenbanken müssen mit Auflagen und Aufsicht rechnen. Die Arbeiten hätten bereits begonnen, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem zweitägigen Gipfel. "Wir werden Druck machen, dass das möglichst schnell beendet wird. (...) Jeder Akteur, jeder Platz, jedes Instrument muss einer Regulierung unterworfen werden."

Insgesamt stehen 29 sogenannte systemrelevante Banken auf der Liste. Systemrelevant ist eine Bank, wenn ihre Pleite das internationale Finanzsystem zum Kollaps bringen kann. Merkel sagte: "Das ist ein großer Gewinn. Von deutscher Seite gehören unsere beiden größten Banken dazu. Die Deutsche Bank und die Commerzbank."

Im Kampf gegen Steuerhinterziehung werden nach Angaben Merkels elf Finanzplätze ins Visier genommen. Diese Steueroasen hätten nicht die notwendigen Fortschritte gemacht, sagte sie, ohne Namen zu nennen.

Italien kommt unter IWF-Aufsicht

Frankreichs Staatspräsident und Gastgeber Nicolas Sarkozy würdigte den Einsatz der G20 gegen die europäische Schuldenkrise. Vor allem gehe es darum, Italien aus der Schusslinie der Finanzmärkte zu nehmen. "Es gibt Institutionen in Europa, die EZB und den EFSF-(Fonds). Sie sind bereit einzugreifen, wenn dies nötig ist", sagte er. "Italien ist nicht alleine." EZB steht für die Europäische Zentralbank, EFSF für den Krisenfonds der Euroländer zugunsten klammer Mitgliedstaaten.

Der IWF wird zudem kurzfristige Liquiditätskredite ausgeben, um vorbeugend Länder vor Attacken der Finanzmärkte zu schützen. Die neue geplante Liquiditätslinie des IWF soll allerdings nur Ländern mit einer gesunden Finanzpolitik zugute kommen.

US-Präsident Barack Obama mahnte ein entschlossenes Handeln im Kampf gegen die Schuldenkrise in Europa an. Die Beschlüsse der Europäer müssten jetzt so kraftvoll und so schnell wie möglich durchgesetzt werden, sagte er. Die USA wollten die europäischen Partner weiterhin unterstützen.

Sarkozy begrüßte ausdrücklich die Reformanstrengungen Italiens. "Es hat die nötigen Entscheidungen getroffen." Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi willigte in Cannes ein, sein Reform- und Sparprogramm auch vom IWF überwachen zu lassen - kein leichter Schritt für ein stolzes Land. Mit dem IWF-Einsatz in Rom solle mehr Vertrauen an den Märkten geschaffen und die Finanzierung der Schuldenlast erleichtert werden.

Berlusconi: Wenn nicht ich, wer dann?

Bisher hatte nur die EU-Kommission diesen Auftrag. Italien steht wegen seiner Schuldenlast von 120 Prozent der Wirtschaftsleistung unter dem Druck der Märkte. Italien ist aber überwiegend bei inländischen Geldgebern verschuldet. Zudem gilt die Wirtschaft grundsätzlich als solide.

Allerdings muss Berlusconi um die Mehrheit für das Anti-Krisenpaket bangen, deren Umsetzung er in Cannes zusagte. Nach dem Austritt zweier Abgeordneter aus seinem Lager hat Berlusconi keine absolute Mehrheit mehr. Die Debatte um Neuwahlen geht weiter. Berlusconi nannte die Befürchtungen um Italien übertrieben.

Krise, welche Krise? Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi glaubt an sich und seine Regierung. "Ich frage mich, wenn ich hier so am G20-Tisch sitze, wer könnte Italien besser repräsentieren, wäre ich nicht hier?", sinnierte Berlusconi am Freitag beim G20-Gipfel im französischen Cannes. "Ich finde niemanden unter Italiens gegenwärtigen Politikern."

Dass ihm die Mehrheit zuhause im römischen Parlament abhanden kommt, beunruhigt ihn nicht. "Ich denke, diese Regierung hat eine solide Mehrheit", sagte der Italiener.

Die italienische Wirtschaft, der es derzeit an Wachstum mangelt, betrachtet er mit Stolz. "Den Italienern geht es gut", sagte er. "Die Restaurants sind voll, und es ist schwierig einen Platz im Flugzeug zu buchen. Und die Hotels sind während der Feiertage ausgebucht."

"Aktionsplan für Wachstum und Beschäftigung"

Keinen Fortschritt gab es offensichtlich beim Thema Transaktionssteuer. Die G20-Staaten stritten weiter über Maßnahmen gegen gefährliche Spekulationsgeschäfte. In der Abschlusserklärung des Gipfels heißt es lapidar: "Wir erkennen die Initiativen zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer in einigen unserer Staaten an." Damit sind Sarkozys Pläne für die Einführung einer globalen Bankenabgabe auf Finanzgeschäfte gescheitert.

Mit Blick auf die schwache Konjunktur vor allem in Europa und Amerika sagte Sarkozy, es gebe Konsens, jegliche Haushalts-Spielräume zur Wachstumsankurbelung zu nutzen. "Solide Länder" wie China oder Deutschland seien bereit, neue Maßnahmen zu ergreifen, um das Wachstum zu unterstützen.

Zur Ankurbelung der Weltkonjunktur wollen die führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) an einem Strang ziehen. Ein "Aktionsplan für Wachstum und Beschäftigung" soll dafür sorgen, dass die Länder enger zusammenarbeiten.

Entwicklungshilfeorganisationen und Umweltschützer kritisierten, dass der Gipfel sich zu sehr auf die Schuldenkrise konzentriert habe. Brennende Themen wie Hunger und Klimawandel seien ausgeklammert worden. Man habe sich auch Fortschritte bei der Einführung einer Transaktionssteuer gewünscht.

Der nächste G20-Gipfel findet im Juni 2012 im mexikanischen Los Cabos statt.

dpa