TV-Tipp des Tages: "Tatort: Auf der Sonnenseite" (WDR)
"Under cover"-Polizist Batu beginnt seine Karriere als "Tatort"-Kommissar mit einer Niederlage: Er kommt nicht dazu, die Geldwäscheaktivitäten des Gangsters Petermann aufzudecken, weil er die fingierte Mutprobe, die Exekution eines vermeintlichen Verräters, nicht besteht.
05.11.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Tatort: Auf der Sonnenseite", 10. November, 20.15 Uhr im WDR Fernsehen

Weil längst beschlossene Sache ist, dass Cenk Batu demnächst seine Marke zurückgeben wird, kann man sich schon mal dran gewöhnen, die Wiederholungen der Krimis aus Hamburg schätzen zu lernen. Heute zeigt der WDR noch mal den ersten Fall. Im Auftrag des Kölner Senders ist einst auch Zollfahnder Kressin entwickelt worden, die einzige "Tatort"-Hauptfigur, die ein ähnlicher Einzelgänger war wie der Kommissar aus Hamburg. Batu (Mehmet Kurtulus) aber ist kein beamteter Anarchist, sondern ein "Under cover"-Polizist: Er lässt sich als verdeckter Ermittler ins organisierte Verbrechen einschleusen.

Damit entfällt eine Ebene, die bei "Tatort" und "Polizeiruf 110" zum Repertoire gehört: Es gibt keinerlei Revierszenen, weil Batu das Polizeipräsidium nie betritt. Einzige Verbindung zur Bürokratie ist sein direkter Vorgesetzter Uwe Kohnau. Der frotzelnde Umgangston des Duos ist die einzige Reminiszenz an die "Tatort"-Konvention. Außerdem bereichert sie die Geschichten um ein humorvolles Element, für das man sehr dankbar ist: Die herausragende Bildgestaltung von Kameramann Martin Langer nimmt der Hamburger Frühlingssonne im Auftaktfilm jede Wärme und lässt einen fast frösteln.

Batu rettet Nezrems Neffen Deniz

Von gleicher Qualität ist die Handlung (Buch: Christoph Silber, Thorsten Wettcke). Batu (Mehmet Kurtulus) beginnt seine Karriere als "Tatort"-Kommissar mit einer Niederlage: Er kommt nicht dazu, die Geldwäscheaktivitäten des Gangsters Petermann (Michael Wittenborn) aufzudecken, weil er die fingierte Mutprobe, die Exekution eines vermeintlichen Verräters, nicht besteht. Kohnau (Peter Jordan) setzt ihn auf einen neuen Fall an: Er soll das Vertrauen des türkischen Geschäftsmannes Tuncay Nezrem (Aykut Kayacik) gewinnen. Das klappt schneller als gedacht, als er Nezrems Neffen Deniz (Burak Yigit) das Leben rettet; schon ist er Nezrems Fahrer. Tatsächlich findet er alsbald raus, welchen illegalen Geschäften Nezrem seinen Reichtum zu verdanken hat. Als Deniz doch noch ermordet wird, kommt Batu außerdem einer miesen Abzocke auf die Spur: Deutsche Türken werden mit der Aussicht auf ein Eigenheim in der Türkei um viel Geld betrogen; und plötzlich ist Petermann wieder im Spiel.

Mit Mehmet Kurtulus fungierte zum ersten Mal ein türkischstämmiger Darsteller im "Tatort" als Hauptermittler. Aber das spielte kaum eine Rolle, zumal der großartige Kurtulus ("Kurz & schmerzlos") ohnehin einer der besten deutschsprachigen Schauspieler ist. Abgesehen davon ist Cenk Batu dank der Führung durch Regisseur Richard Huber und Langers Kameraarbeit derart cool, dass der Film mitunter wie eine Vorbeugung vor "Miami Vice" wirkt.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).