TV-Tipp: "Die Tänzerin - Lebe deinen Traum" (Sat.1)
Anna träumt den Traum so vieler junger Mädchen: mindestens Tänzerin an der Oper werden, am liebsten aber Primaballerina. Doch dann verschwindet eine Solotänzerin, ein Inspizient stürzt aus der Galerie auf die Bühne und Annas Konkurrentin wird eine Treppe hinunter gestoßen.
05.11.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Die Tänzerin - Lebe deinen Traum", 8. November, 20.15 Uhr in Sat.1

Ein Thriller, wie Sat.1 verspricht, ist der Film zwar nicht, aber getanzt wird eine Menge. Und selbst wenn die Geschichte nicht ganz so raffiniert wirkt, wie das den Autoren Sascha Arango und Marek Helsner sowie Regisseur Hans-Günther Bücking vermutlich vorschwebte, so ist die Mischung aus Krimi, Romanze und tänzerischer Hingabe dennoch durchaus sehenswert. Zentrale Figur dieser deutsch-österreichischen Koproduktion ist eine junge Wienerin, in deren Rolle Julie Engelbrecht nicht nur deshalb imponiert, weil sie die Tanzszenen bis auf wenige Ausnahmen selbst gemeistert hat. Anna träumt den Traum so vieler junger Mädchen: mindestens Tänzerin an der Oper werden, am liebsten aber Primaballerina. Sehr zum Verdruss ihres verwitweten Vaters (Christoph M. Ohrt): Annas Mutter war einst ebenso ehrgeizig und hat sich schließlich das Leben genommen, als sie ihre Ziele nicht erreichte.

Der eiskalte Engel

Dieser Vater/Tochter-Hintergrund ist eine reizvolle Basis für die eigentliche Geschichte, in der eine Solotänzerin verschindet, ein Inspizient aus der Galerie auf die Bühne stürzt und Annas Konkurrentin eine Treppe hinunter gestoßen wird. Dass es sich dabei ausgerechnet um ihre beste Freundin (Emily Cox) handelt, schmälert Annas Freude über den begehrten Platz im Ensemble erheblich, zumal man sie für die Übeltäterin hält. Außerdem bekommt sie andauernd SMS-Botschaften ohne Absender. Und über allem schwebt die Ballettchefin, eine ehemalige Primaballerina: Die große, von allen bloß beim Nachnahmen genannte Hrdlicka ist die böse Fee dieser Geschichte. Bücking, in seinen Filmen stets auch für die Bildgestaltung zuständig, kostet den Kontrast zwischen dem Liebreiz Engelbrechts und der kühlen Aura Marion Mitterhammers, die die Diva mit Hingabe als eiskalten Engel verkörpert, weidlich aus; auch wenn die Kettenraucherei der Hrdlicka fast zwangsläufig zu dem einen oder anderen Anschlussfehler führt.

Zusätzliche Brisanz erhält die natürliche Konkurrenz zwischen dem alternden Star und dem hübschen Nachwuchstalent durch einen Mann, der zwischen den beiden Frauen steht. Aber auch der charmante Beleuchter Tom (Vinzenz Kiefer) ist eine Figur mit Vergangenheit, wie Kommissar Matuschka (Max von Thun) herausfindet. Auch der Ermittler macht einiges mit, als ihn ein Unbekannter auf der Bühnengalerie erst niederschlägt und dann davor bewahrt, in die Tiefe zu stürzen. Es muss sich um das Phantom der Oper handeln, denn laut Computer gehören die Fingerabdrücke des Lebensretters einem Toten. Gerade Details dieser Art verleihen der Geschichte von der jungen Frau, die ihren Traum leben will, immer wieder überraschende Tiefe. Und Figuren wie der schrullige Pförtner (Martin Weinek), der bitteren Wahrheiten ("Am Ende weinen sie alle") den Stachel nimmt, weil er sie in Wiener Schmäh verpackt. Die ausgiebigen Blicke hinter die Opernkulissen sind ohnehin faszinierend.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).