"Tatort: Borowski und der coole Hund", 6. November, 20.15 Uhr im Ersten
Selbst Axel Milberg findet ihn albern, aber wer fragt schon nach Titeln, wenn ein Film derart herausragend ist. Die Vorlage stammt von Henning Mankell, doch es ist vor allem die Umsetzung, die diesen Film zu einem der besten Sonntagskrimis des Jahres macht. Auch wenn der Name Mankell ungewöhnliche Figuren, viel Atmosphäre und ausgefallene Todesarten verspricht: Es bedarf dennoch der Veredelung, um ein großes Werk aus dem Stoff zu machen. Der Respekt gebührt also Autor Michael Proehl, aber vor allem Christian Alvart. Der Regisseur mit Hollywood-Erfahrung ("Pandorum") hat erst eine gute Handvoll Filme gemacht, doch bereits seine frühen Arbeiten ("Antikörper") lebten vom festen Vorsatz, ständig für Spannung zu sorgen.
Deshalb gilt das Augenmerk der Kieler Ermittler zwar der Suche nach einem raffinierten Mörder, aber in erster Linie ist "Borowski und der coole Hund" ein Thriller: Permanent suggeriert die Inszenierung, dass jederzeit was passieren kann. Die einfallsreiche, aber nie bemüht wirkende Bildgestaltung (Kamera: The Chau Ngo) ist für einen "Tatort" ohnehin äußerst ungewöhnlich: mal sieht man das Geschehen aus dem Blickwinkel eines Hundes, mal sorgen verblüffende Perspektiven für originelle Bilder.
Handschrift düsterer skandinavischer Krimis
Titelfigur neben Borowski ist allerdings nicht dieser Vierbeiner; der wird irgendwann erschossen, weil er die Tollwut hat. Der "coole Hund" ist ein schwedischer Kommissar (Magnus Krepper), mit dem Borowski befreundet ist. Der Kollege kommt nach Kiel, weil er einem Tierschmuggel auf der Spur ist. Auf diese Weise wird er in einen Fall hineingezogen, der die Handschrift der düsteren skandinavischen Krimis trägt: Als ein Mann nach vollzogenem Beischlaf ein erfrischendes Bad im Meer nehmen will und beherzt ins Wasser springt, wirft er sich quasi selbst in eine heimtückische Falle aus angespitzten Bambusstäben. Die Polizei muss davon ausgehen, dass es sich um ein Zufallsopfer handelt, und will natürlich verhindern, dass noch mehr Menschen in möglichen weiteren Fallen umkommen.
Schon diese parallel erzählten Anfangsebenen – ein dritter Strang beobachtet Borowski beim Aufstehen – setzt Alvart mit eindrucksvollen Bildern und äußerst fesselnd um. Kurze, aber nie hektische Einstellungen bauen eine Spannung auf, die den Film bis zum Schluss prägt. Doch es ist keine vordergründige Spannung, weil auch zwischen den Figuren eine Menge passiert. Dafür sorgt nicht zuletzt der Kollege aus Malmö, und das nicht allein, weil er sich durch eine eigenwillige Befragungsart auszeichnet. Sein unverhohlenes Flirten mit Borowskis Assistentin (Sibel Kekilli) bringt zudem eine neue Farbe in den Kieler "Tatort".
Dass der Schwede zu recht nach Kiel gekommen ist, zeigt die Obduktion des ersten Opfers. Der Mann wäre ohnehin in absehbarer Zeit gestorben: Er war mit Tollwut infiziert. Sein Tod hat ihn vor qualvollem Sterben bewahrt, und Borowski hat nun zwei Spuren: Die eine führt in ein Labor, in dem offenbar illegale Tierversuche durchgeführt werden, die andere ins Internet, denn die Freundin (Mavie Hörbiger) des Mannes hat eine Menge Verehrer; und beide Spuren kreuzen sich. Deshalb ist das X, das ein Toter mit dem eigenen Blut und letzter Kraft an die Wand malt, der Schlüssel zur Lösung; man muss bloß die Perspektive wechseln. Ein packender "Tatort", der wegen der vielen Schockeffekte und der blutigen Todesarten allerdings die Grenzen des Sendeplatzes auslotet.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).