Steve Jobs wollte "eine Delle ins Universum schlagen"
Steve Jobs war einer der wichtigsten Innovatoren des Computerzeitalters. Der amerikanische Journalist Walter Isaacson geht in einer lesenswerten Biografie seinem ungewöhnlichen Werdegang nach.
04.11.2011
Von Christiane Schulzki-Haddouti

Steve Jobs steht wie kein anderer für Innovationen im Digitalzeitalter. Er revolutionierte sechs Industriezweige: Heimcomputer, Animationsfilme, Musik Telefone, Tablet-Geräte und Digital Publishing – und vielleicht auch noch den Sektor der Einzelhandelsgeschäfte. Dabei kümmerte er sich selten um Marketingstudien und Umfragen, sondern um das, was er für richtig und schön hielt.

Die Schönheit der Produkte durfte sich dabei nicht auf das Sichtbare begrenzen: Wie sein Vater, der darauf bestand, dass ein ordentlicher Schreiner auch die Rückwand eines Schranks schön gestaltet, bestand er für seine Geräte auf einem Design, das selbst unsichtbare Schrauben und versteckte Platinen umfasste. Sein Vermächtnis sei, so Jobs: "Bringt Kultur in jedes Produkt, das ihr baut."

Die College-Kurse empfand Steve Jobs als nutzlos

Der Start ins High-Tech-Unternehmertum war alles andere als einfach: Jobs' Adoptiveltern hatten wenig Geld. Das teure Studium brach er ab, weil er seinen Eltern nicht wegen von ihm als nutzlos empfundenen College-Kursen auf der Tasche liegen wollte. Er war jedoch im Silicon Valley aufgewachsen, wo sich innovative Elektronikbastler und Programmierer im Homebrew Club trafen, um Ideen einfach mal auszuprobieren. Das erste Gerät entwickelte er dort mit Steve Wozniak, die ersten Apple-Produkte wurden von Bekannten mit hohem Risiko finanziert.

Es hätte bei Hobby-Basteleien bleiben können, hätten nicht zwei Personen einen außerordentlichen Geschäftssinn besessen: Steve Jobs und Bill Gates. Jobs bestand darauf, das Steve Wozniak die Baupläne für seinen Computer nicht einfach mit den anderen teilte, wie es damals eigentlich innerhalb des Bastelclubs üblich war. Und Bill Gates, der auch ab und zu vorbeikam und für den ersten Apple das Betriebssystem schrieb, bestand darauf, seinen Code nicht einfach zu verschenken. Aus der anfänglichen Kooperation entwickelte sich bald eine harte Konkurrenz, die die Entwicklung der Personal Computer vorantrieb. Dem Biografen Walter Isaacson gelingt dabei fast im Vorbeigehen ein schönes Porträt der Gründerszene des Silicon Valley, das damals noch gar nicht so hieß.

"Bleibe hungrig. Bleibe verrückt"

Nur eine Handvoll Rüstungs- und Elektronikfirmen gab es damals, die den Nährboden für wichtige Entwicklungen des Digitalzeitalters schufen. Es war vor allem die Nähe zu Menschen mit ähnlichen Interessen, die die Fantasie Schüler und Studenten damals beflügelte. Es gab Nachbarn, die an futuristischen Gadgets in ihrer Freizeit bastelten. Es gab einen riesigen Elektronik-Markt, indem neue wie gebrauchte Bauteile einfach verfügbar waren. Und es gab mit dem The Whole Earth Catalog einen Bestellkatalog für Geräte und Lehrmaterialien, der nicht nur einfach Zugang zu Werkzeugen bot, sondern auch eine Philosophie. In der letzten Ausgabe von 1971 stand auf der Rückseite: "Bleibe hungrig. Bleibe verrückt."

Dieser Slogan stand für die speziell kalifornische Mischung von Technologie und der Hippie-Gegenkultur, die ein anarchisches Denken unterstützte, das Visionen für eine noch nicht existierende Welt entwickelt. Steve Jobs sah sich in seinen Anfangsjahren als Teil dieser Kultur, die sich gegen etablierte Großfirmen wie etwa IBM oder Xerox wandte. Und die Ambitionen waren hochfliegend. Es galt, so Jobs, "eine Delle ins Universum zu schlagen". Etwas zu erschaffen, was die Realität der Menschen verändern würde. Das gelang ihm tatsächlich immer wieder. Das schöne Design und die guten Leistungsdaten ließen die meisten seiner Entwicklungen zu einem großen Erfolg werden.

Jobs' Geschichte ist "ein Lehrstück und eine Warnung"

Walter Isaacson hat mit der autorisierten Biografie des Apple-Gründers ein bemerkenswertes Werk vorgelegt: Basierend auf mehr als vierzig Gesprächen mit Steve Jobs, Angehörigen, Freunden Kollegen und Rivalen ist es akribisch recherchiert, fesselnd geschrieben – und bemüht sich immer um eine faire Darstellung. Das war offenbar die größte Herausforderung, denn immer wieder stimmten die Erinnerungen der Protagonisten nicht überein. Etwa wenn es um sein Verhältnis zu Steve Wozniak, das Zerwürfnis zwischen ihm und Microsoft-Gründer Bill Gates oder um seinen erzwungenen Abgang von Apple ging.

Isaacson lässt die verschiedenen Interpretationen von dem, was geschehen war, meist unkommentiert nebeneinander stehen – und gibt so dem Leser die Möglichkeit, sich einen eigenen Eindruck zu verschaffen. Immer wieder ist in dem Buch von der "Falle der Realitätsverzerrung" die Rede, für die Steve Jobs unter seinen Kollegen berühmt war: Er konnte sie nämlich für seine Visionen auch dann begeistern, wenn sie völlig irreal schienen – und teilweise auch waren. Und er konnte sie mit seiner Kontrollsucht, mit täglich schwankenden, widersprüchlichen Ansagen und lautstarken Wutanfällen auch an den Rand der Verzweiflung treiben. Seine Geschichte ist daher auch, so schreibt Isaacson, "ein Lehrstück und eine Warnung, gespickt mit Lektionen über Innovation, Charakter, Führungsstil und Werte".


Christiane Schulzki-Haddouti lebt und arbeitet in Bonn.