US-Kirchenführer zu Occupy: "Glaube ist auch politisch"
Wie stehen die US-Kirchen zur Protestbewegung Occupy Wall Street? Die Einschätzungen sind innerhalb des kirchlichen Spektrums in den USA sehr unterschiedlich. Für die meisten Christen und Gemeinden der United Church of Christ (UCC) ist es aber ein Anliegen, sich auch für soziale Gerechtigkeit einzusetzen. Daher unterstützen sie den Banken-Protest.
04.11.2011
Von Ralf Peter Reimann

Die UCC-Pastoren Michael Ellick und Stephen H. Phelps und ihre Kollegin Pastorin Donna Schaper marschieren in einem Demonstrationszug mit. Die Demonstranten tragen ein goldenes Kalb aus Pappmaschee zum Protestcamp der Occupy-Wall-Street-Bewegung am Zuccotti Park in New York. Sie machen damit deutlich, wenn Banken und Finanzdienstleister ihr Streben nur nach eigenem Profit ausrichten und das Allgemeinwohl vernachlässigen, wird die Profitgierde ihr Götze. Der Bulle, das Symbol der Wall Street, sei ein falscher Götze, so wie das goldene Kalb aus Exodus 32,  steht es auf der Internetseite der New Yorker UCC-Gemeinde Judson Memorial. Die Pastoren und Gemeindeglieder berufen sich in ihrem Engagement für soziale Gerechtigkeit auf die Bibel. Mit ihnen demonstrieren aber auch jüdische und moslemische Geistliche, soziales Engagement eint die Geistlichen über Religionsgenzen hinweg.

Amerikanische Basisbewegungen: Tea Party und Occypy Wall Street

Dürfen oder müssen sich Christen politisch engagieren? Ja, sagte Pfarrer Geoffrey Black, Präsident der amerikanischen United Church of Christ, auf einer Pressekonferenz im Düsseldorfer Landeskirchenamt. Pfarrer Black befindet sich auf Deutschland-Besuch, am Rande der EKD-Synode in Magdeburg wird er dabei sein, wenn die Union Evangelischer Kirchen die Kirchengemeinschaft aller ihrer Gliedkirchen mit der UCC beschließt. Das Interesse der Journalisten auf der Pressekonferenz gilt aber nicht der Kirchenpolitik, sondern seinen Einschätzungen zur Occupy-Bewegung.

Rev. Geoffrey Black ist Präsident der United Church of Christ. Foto: uccc.org

Geoffrey Black vergleicht die Tea-Party-Bewegung mit der Occupy-Wall-Street-Bewegung. Beides seien Basis-Bewegungen, beide kritisieren die Rettungsaktionen der US-Regierungen für die angeschlagenen Banken. Für die Tea-Party sei die Ursache des Übels aber die Regierung, besonders konzentriere sich ihre Kritik auf Präsident Obama. Dabei benutze sie auch rassistische Klischees, sagt der Afro-Amerikaner Geoffrey Black. Die Occupy-Aktionen richten sich aber gegen die Profitgierde der Banken, sie wollen die verantwortlichen Banker dazu bringen, auch dem Allgemeinwohl zu dienen. Beim Protest engagieren sich sehr viele junge Menschen, die nach Abschluss ihrer College-Ausbildung kaum Chancen für sich in der Gesellschaft sähen.

"Christliche Glaube hat immer auch eine politische Dimension"

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Wie stehen die amerikanischen Kirchen zur Occupy-Bewegung? Dies hängt laut Black von der jeweiligen Denomination ab. Konservative Kirchen lehnen sie ab und verdächtigen die Demonstranten als Troublemaker und Hippies, denn der Religiösen Rechte in den USA ist ein Engagement für soziale Gerechtigkeit suspekt. Bei einigen Kirchen nimmt der UCC-Präsident ein ambivalentes Verhältnis zur Protestbewegung wahr. Grund sei, dass diese Bewegung schwer zu erfassen sei, es gebe auch keine Führer, die für die Bewegung stünden. Progressive Christen – dazu zählt Black auch seine eigene Kirche – dagegen unterstützen die Occupy-Bewegung, denn soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit stellen auch eine Glaubensfragen dar: „der christliche Glaube hat immer auch eine politische Dimension“, so Black. In den von der Occupy-Bewegung gestellten wirtschaftlichen und sozialethischen Fragen gebe es auch eine Nähe zur katholischen Soziallehre, neben der UCC unterstützen auch katholische Arbeitnehmerbewegungen den Protest.

Auch Christen engagieren sich bei Occupy

Auf die Frage, ob man die Occupy-Bewegung hauptsächlich von Christen getragen werde, ist Black zurückhaltend. Auch wenn es in den Medien oft anders dargestellt werde, sei die USA ein sehr stark säkularisiertes Land. Viele dieser jungen Menschen, die sich beim Banken-Protest engagieren haben – so vermutet Black – hätten noch keine Kirche von innen gesehen. Daher darf man sie kirchlich nicht vereinnahmen, aber andererseits gelte auch: viele Christen identifieren sich mit deren Zielen und unterstützen sie daher. So hätten sich z.B. die Theologie-Studenten des UCC-Seminares in Lancaster dem örtlichen Protest angeschlossen. Man trifft sie nun nicht nur auf dem Campus, sondern auch auf dem örtlichen Protestcamp.


Ralf Peter Reimann ist rheinischer Pfarrer und arbeitet bei evangelisch.de.