Gerhard Ulrich: Lutheraner und leidenschaftlicher Prediger
Der Schleswiger Bischof Gerhard Ulrich ist zum neuen leitenden Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) gewählt worden. Die VELKD-Generalsynode bestimmte ihn am Freitag in Magdeburg zum Nachfolger von Johannes Friedrich (63), der nach sechs Jahren Amtszeit nicht mehr zur Wahl stand. Der 60-jährige Ulrich war der einzige Kandidat. 47 Synodale votierten für ihn, es gab eine Gegenstimme.

Ulrich vertritt als leitender Bischof fast zehn Millionen evangelische Christen in Deutschland. Seine Amtszeit beträgt drei Jahre, eine Wiederwahl ist möglich. Verbunden mit dem Bischofsamt ist das Recht, auf allen Kanzeln der acht lutherischen Mitgliedskirchen der VELKD zu predigen. Zudem hat der leitende Bischof den Vorsitz in der Kirchenleitung und der Bischofskonferenz sowie im Deutschen Nationalkomitee des Lutherischen Weltbundes.

Zur Stellvertreterin wählte die lutherische Bischofskonferenz die mitteldeutsche Bischöfin Ilse Junkermann. Die 54-jährige Theologin steht seit August 2009 an der Spitze der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, gratulierte Bischof Ulrich zur Wahl. Er wünsche dem neuen Leitenden Bischof "Tatkraft, Mut und ein fröhliches Herz" und freue sich auf eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit, erklärte Schneider.

"Übernehme die Aufgabe mit Lust"

Nach seiner Wahl sagte Ulrich, er übernehme die neue Aufgabe "mit Lust". Gerne wolle er die befreiende Botschaft von Jesus Christus mit "Leidenschaft für Kirche und Welt" unter die Leute bringen und von den Dächern rufen. Ulrich verglich die Kirche mit einem Chor, in dem jede Stimme wichtig sei und die verschiedenen Stimmen aufeinander hören müssten, um zusammen wirken zu können. Die Vielfalt sei ein Reichtum des Protestantismus, nicht eine Schwäche, die überwunden werden müsse, fügte Ulrich hinzu. In diesem Sinne sei die Wahrheit in den lutherischen Kirchen im Dialog zu suchen, sie wachse nicht aus der Hierarchie, sagte der neue VELKD-Bischof über sein Leitungsverständnis .

Er sei ein "überzeugter VELKD-Bischof" geworden, bekannte Ulrich. Die Dienstleistungen der lutherischen Kirche, wie theologische Beiträge, Fort- und Weiterbildung seien für die Gemeinden und Landeskirchen ganz wichtig. Ulrich versicherte, er wolle das Verbindungsmodell der EKD mit den unierten und lutherischen Kirchen weiter stärken. Eine Frucht dieses Modells sieht er auch in der Empfehlung, dass die lutherische Kirche die Barmer Theologische Erklärung von 1934 aufnehme. In diesem Zusammenhang regte er Überlegungen an, inwieweit das Augsburger Bekenntnis als Bezugsrahmen für Landeskirchen mit anderen Bekenntnistraditionen infrage komme. Das Augsburger Bekenntnis von 1530 ist eine grundlegender Text der lutherischen Landeskirchen.

Gerhard Ulrich wurde am 9. März 1951 in Hamburg geboren. Nach Abitur und Wehrdienst studierte er  zunächst Germanistik, Theaterwissenschaften und Schauspiel, ab 1974 evangelische Theologie an der Universität Hamburg. Nach Stationen als Pfarrverwalter und Gemeindepastor wurde Ulrich 1987 hauptamtlicher Mentor zur Vikarsausbildung in der Region Schleswig und 1991 Direktor des Prediger- und Studienseminars der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Preetz. Von 1996 bis 2008 war Ulrich Propst des Kirchenkreises Angeln mit Sitz in Kappeln und ab 2003 auch Mitglied der Kirchenleitung der Nordelbischen Kirche.

Seit Oktober 2008 ist er Bischof des neuen Sprengels Schleswig und Holstein. Im Jahr 2009 übernahm der verheiratete Vater von vier Söhnen den Vorsitz der Kirchenleitung der Nordelbischen Kirche und wurde zum Vorsitzenden der gemeinsamen Kirchenleitung der drei evangelischen Landeskirchen Nordelbien, Mecklenburg und Pommern gewählt, die sich an Pfingsten 2012 zur Nordkirche zusammenschließen wollen. Seit 2009 war Ulrich bereits Stellvertreter des leitenden Bischofs der VELKD.

Acht lutherische Landeskirchen

"Ich möchte eine freundliche, werbende Stimme der Lutheraner sein", hatte Ulrich vor seiner Wahl gesagt. Die Arbeit der VELKD diene der theologischen Profilierung von Kirchengemeinden und Landeskirchen und bewahre die lutherischen Bekenntnisse. Zur VELKD gehören die Landeskirchen von Bayern, Braunschweig, Hannover, Mecklenburg, Nordelbien, Sachsen, Schaumburg-Lippe und Mitteldeutschland. Ihr gemeinsames Ziel ist es, die Einheit unter den deutschen lutherischen Kirchen zu fördern und zu bewahren.

Ulrich gilt als eine treibende Kraft bei der Gründung der Nordkirche und scheut keine stressige Gremienarbeit mit Sitzungen bis in die Nacht. Seine Leidenschaft aber ist die Predigt. Der Bischof will auch in seinem neuen Amt das tun, was er in seinen früheren Aufgaben schon immer am liebsten getan hat: Menschen für das Evangelium gewinnen. Als er im Juli 2008 Schleswiger Bischof wurde, sagte Ulrich auf Journalistenfragen, dass seine Leidenschaft für das Wort durch seine Geschichte geprägt sei. Dabei verwies der neue VELKD-Spitzenmann auf ein zentrales Schlüsselerlebnis.

Er war Schauspielschüler. Kurz vor einem Auftritt beim Stück "Abelard und Heloise" hörte der damals 22-Jährige im Hamburger Ernst-Deutsch-Theater, wie eine Kollegin den Psalm 139 rezitierte: "Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir (...) und nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten." Dieser Eindruck brachte Ulrich dazu, vom Studium der Germanistik, Theaterwissenschaften und Schauspielkunst 1974 zum Theologiestudium zu wechseln.

Sohn eines Hamburger Polizisten

Er legt großen Wert darauf, beim Predigen in die Lebenswirklichkeit der Menschen "hineinzuerzählen". "Weil ich es selbst so erfahren habe, kann ich mir es gar nicht anders vorstellen", sagt der evangelische Theologe, der mit Ehefrau Cornelia vier erwachsene Söhne hat. Auch sein beruflicher Werdegang als Pastor war von Abwechslung geprägt. Als Sohn eines Polizisten in Hamburg geboren war Ulrich zunächst Pastor in Barsbüttel (Kreis Stormarn) und Hamburg-Wellingsbüttel. Danach wurde er Ausbildungsmentor für Theologen in Schleswig und Direktor des Predigerseminars Preetz. Im März 1996 übernahm er das Propstamt im Kirchenkreis Angeln, 2008 wurde er Schleswiger Bischof als Nachfolger von Hans Christian Knuth.

Bereits als Propst war er Mitglied der nordelbischen Kirchenleitung und von Anfang an aktiv beteiligt an den Weichenstellungen für die Nordkirche als Zusammenschluss der nordelbischen, mecklenburgischen und pommerschen Kirche. Er ist derzeit nicht nur Vorsitzender der nordelbischen Kirchenleitung, sondern hat auch den Vorsitz der gemeinsamen Kirchenleitung aller drei Kirchen inne. Mehrfach machte er sich dafür stark, dass das lutherische Profil der Nordkirche auch in dem offiziellen Namen der Kirche zum Ausdruck kommt.

Nicht organisatorische oder finanzielle Aspekte stehen für Ulrich bei der Gründung der Nordkirche an vorderster Stelle, sondern geistliche. So rief er die 2,3 Millionen evangelischen Christen im Norden wiederholt zu Gottvertrauen beim Aufbau der neuen Kirche auf, die Pfingsten 2012 gegründet werden soll. Es sei vor allem Gott, der in der Mitte der Christen an allen Orten zwischen Hamburg, Husum, Hagenow und Heringsdorf wirke, sagte der Bischof jüngst.

Mehr Informationen zur VELKD-Generalsynode finden Sie hier.

epd