Marburger Frauenmahl: Tischreden zu Kohl und Rosen
Das angeregte Tischgespräch im Hause Luther stand Pate für das Marburger Frauenmahl, zu dem am 30. Oktober, am Vorabend des Reformationstages, 150 Frauen aus christlichen Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften zusammenkommen. Im Fürstensaal des Landgrafenschlosses Marburg werden die Tische gedeckt zu einem festlichen Essen unter dem Motto „Tischreden zur Zukunft von Kirche und Religion“.

Um die große Tafel im Hause Luther scharten sich nicht selten mehr als 20 Gäste. Studenten und Kollegen, Reisende und Freunde gingen in der Wittenberger Collegienstraße ein und aus – und blieben gerne zu den Mahlzeiten. Am gedeckten Tisch dozierte der Professor auf besondere Weise: Luthers Tischreden, die Mitschriften seiner Zuhörer, gingen als eigene Gattung in die Reformationsgeschichte ein.

Das angeregte Gespräch in großer Tafelrunde stand Pate für das Marburger Frauenmahl, zu dem am 30. Oktober, am Vorabend des Reformationstages, 150 Frauen aus christlichen Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften, aus Bildung und Kunst, aus Politik und Medien zusammenkommen. Im Fürstensaal des Landgrafenschlosses Marburg werden die Tische gedeckt zu einem festlichen Essen unter dem Motto „Tischreden zur Zukunft von Kirche und Religion“.

Prominente Frauen aus Kirchen, Kultur und Politik

„Luther gelang es in seinen Tischreden, Theologie und Alltag überzeugend zusammenzubringen“, erklärt Ulrike Wagner-Rau, Professorin für Praktische Theologie an der Uni Marburg und Mitorganisatorin des Frauenmahls, „dieses Redeformat möchten wir für heute neu entdecken.“ Eingeladen zum Frauenmahl haben Frauen aus dem Frauenstudien- und -bildungszentrum in der EKD/Comenius-Institut (FSBZ), dem Fachbereich Evangelische Theologie der Philipps-Universität Marburg und der Frauenarbeit der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck.

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Elf prominente Frauen aus Kirchen und Politik, Kultur und Journalismus, Forschung und Bildung formulieren in Tischreden ihr persönliches Votum zur Zukunft der Kirche und zur Bedeutung der Religionen in den drängenden Fragen der Gesellschaft. Unter den Referentinnen finden sich sowohl die prominenten evangelischen Stimmen Dr. Ellen Ueberschär, Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentages oder Dr. Elke Eisenschmidt, Mitglied des Rates der EKD, wie auch Frauen anderer Konfessionen: Hamideh Mohagheghi, Lehrbeauftragte für Islamische Theologie und Mitglied der Deutschen Islamkonferenz, Dr. Alexa Brum, Leiterin der jüdischen Schule in Frankfurt und Dr. Aurica Nutt von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Mu?nster. Diese Vielfalt ist Programm des Marburger Frauenmahls, das einen dynamischen, offenen und produktiven Prozess des Austausches anstoßen soll. Denn die weiteren Gäste des Frauenmahls reden in den Tischgemeinschaften mit und sind eingeladen, nachträglich einen Textbeitrag über die Gespräche und Themen des Abends zu verfassen. Diese Voten werden dann auf der Internetplattform frauenmahl.de dokumentiert.

Den Alltag unterbrechen - Spielraum schaffen

Zusammen essen und rasten, einander zuhören und miteinander reden – das Frauenmahl soll den Alltag unterbrechen und einen Spielraum schaffen, um Standpunkte auszutauschen und Ideen zu entwickeln. Alle anwesenden Frauen sollen mit ihren Gedanken und Anliegen zu Wort kommen. Die Idee der Veranstalterinnen ist es, anknüpfend an Martin Luthers Gedanken des Priestertums aller Gläubigen, einen breiten, demokratischen Meinungsbildungsprozess anzuregen – weit über Marburg hinaus.

Religiöse Differenzen und Konflikte behindern nicht selten das Zusammenleben von Menschen. Teilen und Austauschen an einem Tisch könne dazu beitragen, Verschiedenheit auszuhalten und schätzen zu lernen, so die Hoffnung der Gastgeberinnen. "Gastfreundschaft ist wesentlicher Teil vieler religiöser Traditionen. Alle werden satt. Man lernt einander kennen." Verantwortung für das Leben und Lebenslust sollen das Frauenmahl prägen: Kohl und Rosen werden die Tische im Fürstensaal des Marburger Schlosses schmücken.

"Kompetente Gesprächspartnerinnen" für Luther 2017

Über das christliche Abendmahl wurde unter den Reformatoren vor knapp 500 Jahren im Marburger Schloss diskutiert. Das Frauenmahl ist nicht als Abendmahl gedacht, aber der symbolische Horizont von Versöhnung und Frieden steht auch über diesem gemeinsamen Essen, so hoffen es die Veranstalterinnen. „Bisher haben die Frauen wenig Stimme im Rahmen der Lutherdekade“, sagt Ulrike Wagner-Rau. „Luther 2017 braucht aber dringend kompetente Gesprächspartnerinnen, damit die Genderperspektive ein selbstverständlicher Bestandteil der Gespräche und Aktionen in der Dekade wird“, betont die Professorin. Darum wolle das Frauenmahl einen Raum schaffen, in dem die Stimme der Frauen deutlich zu hören ist.

Diese Idee hat bereits breiten Anklang gefunden: Zehn weitere Frauenmahle finden in ganz Deutschland statt, dabei treffen sich mehr als 1000 Frauen. Claudia Janssen, Mitorganisatorin und Studienleiterin im FSBZ, erlebte, wie aus der Einzelveranstaltung eine Initiative wurde: „Sobald die Idee bekannt war, gründeten sich weitere Vorbereitungsgruppen in Landeskirchen und Kirchenkreisen. So haben wir jetzt die besondere Chance, die Meinungen und Wünsche zur Zukunft von Kirche und Religion von einer breiten Basis von Frauen zu hören. Auf die Ergebnisse sind wir selbst gespannt.“

Zukünftig müssten die Frauen nicht unter sich bleiben, so die Marburger Initiative: Vielleicht werde der Tisch später auch für alle gemeinsam gedeckt. „Überall können Gastmahle gefeiert werden, die Menschen zusammenbringen, die sich einmischen wollen, denen Glaube und religiöse Fragen wichtig sind, die Zukunft in Kirche und Gesellschaft mit gestalten wollen", sagt Wagner-Rau.

luther2017.de