Debatte: Spätabtreibungen in evangelischen Krankenhäusern
Die Zahl der Spätabtreibungen ist bundesweit stark gestiegen. Eltern fürchten, dass ihr Kind mit einer Behinderung zur Welt kommt. Evangelische Krankenhäuser diskutieren derzeit, ob und wie sie Abbrüche nach der zwölften Woche verantworten können.
25.10.2011
Von Charlotte Morgenthal

Der Medizinethiker Professor Eckhard Nagel hat sich gegen die Spätabtreibung lebensfähiger behinderter Kinder gewandt. "Eine Gesellschaft, die nicht stolz ist auf ihre Mitglieder, die mit Einschränkungen leben müssen, hat keine Zukunftsperspektive", sagte Nagel der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" (Montagsausgabe). Er lehne einen Schwangerschaftsabbruch bei einem Kind mit genetisch diagnostiziertem Down-Syndrom nach der zwölften Woche ab. Hintergrund ist eine Debatte über späte Schwangerschaftsabbrüche in evangelischen Krankenhäusern.

Evangelische Verbände beraten über Leitlinien

Nach Angaben ihrer Vertreter beraten evangelische Verbände derzeit über Leitlinien. Bundesweit hatte sich die Zahl der Spätabtreibungen nach der 22. Woche nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im vergangenen Jahr insgesamt verdoppelt. Wie viele Einrichtungen in evangelischer Trägerschaft einen Schwangerschaftsabbruch nach einer so langen Zeit ausführten, sei noch nicht bekannt, sagte Pastor Norbert Groß, Verbandsdirektor des Evangelischen Krankenhausverbandes in Berlin.

Späte Schwangerschaftsabbrüche seien in evangelischen Krankenhäusern die Ausnahme: "Aber auch ein Einzelfall kann einer zu viel sein, so dass angezweifelt wird, ob wir noch für den Schutz des Lebens eintreten", sagte Groß. Andrerseits löse es die Probleme nicht, Frauen einfach an Kliniken anderer Träger zu verweisen.

"Da läuft etwas falsch"

In den evangelischen Krankenhäusern Hannovers wird derzeit über Spätabbrüche diskutiert, nachdem die Zahl der Fälle ab der 14. Woche dort zuletzt gestiegen war. Mit einem Ethiktag will ihr Träger, die Diakonischen Dienste Hannover, am 16. November diesen Konflikt thematisieren.

Nagel sagte, christliche Krankenhäuser seien bei Abbrüchen nach der zwölften Woche generell sehr zurückhaltend. Die moderne Pränataldiagnostik müsse sich fragen lassen, was sie dazu beitrage, dass die Zahl der späten Abbrüche in den vergangenen Jahren ständig gestiegen sei: "Da läuft etwas falsch."

Seit 2010 gelten bei Spätabtreibungen in Deutschland gesetzliche Regelungen, die die Ärzte zu einer ausführlichen Beratung vor jedem Eingriff verpflichten. Es wurde auch eine dreitägige Bedenkzeit eingeführt zwischen der Diagnose und der Bescheinigung einer medizinischen Indikation für die Abtreibung.

epd