Nach ihrer Nominierung für das Intendantenamt durch den MDR-Verwaltungsrat Anfang dieses Oktobers lobte dessen Vorsitzender Gerd Schuchardt Wille "als kompetente und engagierte Führungspersönlichkeit". Bei der geheimen Wahl hatte Wille alle sieben Stimmen des Gremiums erhalten.
Willes Amtszeit beträgt sechs Jahre. Sie ist nach Dagmar Reim (RBB) und Monika Piel (WDR) die dritte Chefin einer ARD-Anstalt. Gründungsintendant Udo Reiter (67) geht Ende Oktober in den Ruhestand. Vor vier Wochen war die Wahl von Chefredakteur Bernd Hilder von der "Leipziger Volkszeitung" zum Intendanten gescheitert, so dass dieser zweite Anlauf nötig war. Die ARD-Vorsitzende Monika Piel gratulierte Wille und meinte: "Sie übernimmt das Ruder in schwierigen Zeiten."
Aufklärung wird zur Chefsache
Die gebürtige Chemnitzerin Wille erklärte nach der Wahl, sie wolle die Aufklärung der MDR-Affären zur Chefsache machen: "Zuallererst werde ich den begonnenen Aufklärungsprozess entschieden vorantreiben und die richtigen Konsequenzen daraus ziehen. Dazu gehört auch eine gemeinsame Verantwortungskultur im Sender." Außerdem wolle sie den MDR für das digitale Medienzeitalter programmlich, strukturell und finanziell zukunftsfähig machen. "Deshalb werden wir auch stärker jüngeres Publikum ansprechen." Der MDR solle als mediale Stimme Mitteldeutschlands gestärkt werden.
Wille kann bei diesen Aufgaben auf ein neues Führungsteam um Fernsehdirektor Wolf-Dieter Jacobi und Chefredakteur Stefan Raue bauen. Der Rundfunkratsvorsitzende Johannes Jenichen sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Wir sind erleichtert. Das eindeutige Ergebnis zeigt, wir wollen Professor Wille vertrauen."
Dem bisherigen Intendanten Udo Reiter, der zum 31. Oktober nach 20 Jahren aus dem Amt scheidet, folgt mit Wille keine Aufklärerin von Außen, wie sie einige für den Skandal-Sender MDR für nötig halten. Dennoch verfügt die "Frau von Innen", dazu aus dem Osten, über gute Voraussetzungen, die Anstalt wieder auf Kurs zu bringen.
Immer wieder Skandale rund um den Sender
Der MDR war in den vergangenen Monaten mehrfach in die Schlagzeilen geraten. Im Kinderkanal KI.KA, für den der Sender die Federführung hat, hatte ein leitender Mitarbeiter in den Jahren 2002 bis 2010 mehr als acht Millionen Euro veruntreut. Und der kürzlich suspendierte MDR-Unterhaltungshaltungschef Udo Foht soll sich bei Produzenten, mit denen er zusammenarbeitete, Geld geliehen haben.
Opfer der kommunistischer Gewaltherrschaft fordern Transparenz auch von Wille selbst. So gab es Kritik an ihrer juristischen Karriere in der DDR und an den spärlichen Auskünften darüber. Wille studierte in den 1980-er Jahren in Jena Rechtswissenschaften und promovierte dort. Nach der Wende absolvierte sie noch ein juristisches Fernstudium. Danach wurde sie wissenschaftliche Assistentin am Institut für Internationale Studien der Uni Leipzig. Die Kritik spielte bei ihrer Wahl keine entscheidende Rolle. Im MDR wird darauf verwiesen, dass sie die Chancen der Wiedervereinigung genutzt habe.
Die SPD-Landesvorsitzenden aus Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, Katrin Budde, Martin Dulig und Christoph Matschie, begrüßten die klare Entscheidung und erklärten, nach den Affären beim MDR müssten Konsequenzen für die künftige Arbeit gezogen werden. "Hier werden sich einige Strukturen verändern müssen."
Wahl mit Hindernissen
Nach den Vorstellungen des Verwaltungsrats sollte ursprünglich ein anderer Kandidat die Nachfolge des scheidenden Intendanten Udo Reiter (67) antreten. Doch der erste Personalvorschlag des Gremiums, Chefredakteur Bernd Hilder von der "Leipziger Volkszeitung", scheiterte Ende September deutlich. Bei der Abstimmung stimmten von den anwesenden 41 Mitgliedern nur zwölf für den 52-Jährigen, der als Favorit der CDU-geführten sächsischen Staatskanzlei galt. Um Intendant zu werden, hätte er eine Zwei-Drittel-Mehrheit in dem Gremium gebraucht.
Lange bevor Hilder ins Gespräch kam, hatte Wille, seit 2003 stellvertretende MDR-Intendantin und damit Reiters "Kronprinzessin", als Favoritin für den Führungsposten gegolten. Ihr Scheitern bei der ersten Nominierungsrunde des Verwaltungsrats, das offenbar politischer Einflussnahme geschuldet war, trug sie mit Fassung - um im zweiten Anlauf nun die Wahl zur Intendantin für sich zu entscheiden.
Wille möchte den als "Schunkel-Sender" kritisierten MDR für die junge Generation wieder attraktiver und fit für die digitale Mediengesellschaft machen. Wichtigste Herausforderung für die neue Intendantin wird es jedoch zunächst sein, im Sender für Aufklärung zu sorgen.
Wille ist seit 1991 bei der Drei-Länder-Anstalt für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. 1996 wurde sie juristische Direktorin, seit 2003 vertritt sie Intendant Reiter. Bei vielen der mehr als 2.000 Mitarbeiter des MDR ist sie beliebt und gilt schon länger als "Intendantin der Herzen". Wille führt für die ARD die Verhandlungen mit den Fernsehproduzenten und ist Mitglied im Digital-Ausschuss von ARD und ZDF. Im MDR leitet sie die Arbeitsgruppe "Digitale Zukunft".