Erleichterung, kein Triumph: USA verlassen Irak noch 2011
Obama war gegen den Krieg im Irak, jetzt kann er das endgültige Ende verkünden. Aber Triumphgefühle zeigt er nicht, wohl mit gutem Grund. Zu groß waren die Opfer, zu groß sind die mit dem Truppenabzug verbundenen Risiken.
21.10.2011
Von Gabriele Chwallek

Es war zumindest außenpolitisch eine gute Woche für Barack Obama. Erst kam das endgültige Ende des Gaddafi-Regimes, das Kritikern des begrenzten amerikanischen Libyen-Einsatzes im eigenen Land den Wind aus den Segeln nahm. Dann konnte der US-Präsident verkünden, dass der Irak-Krieg nach mehr als acht Jahren nunmehr endgültig zu Ende geht, die im Zweistromland noch stationierten knapp 40.000 US-Soldaten mit Sicherheit Weihnachten daheim sein werden - "home for the holidays".

Bereits zuvor hatte Obama sich als erfolgreicher Terroristenjäger erwiesen, mit der Tötung von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden und dem Hassprediger Anwar al-Awlaki im Jemen gelangen ihm zwei schwere Schläge gegen das Terrornetzwerk. Im Kampf gegen Terroristen hart und entschlossen, aber auch ein Pragmatiker, der Nutzen und Lasten militärischer Einsätze abzuwägen scheint: Es spricht für sich, dass Obama an dieser Front im eigenen Land stark an Popularität gewonnen hat. Während innenpolitisch seine Umfragewerte vor allem wegen der schwächelnden Wirtschaft und der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit auf einen Tiefpunkt gesunken sind, erhält er als "Commander in Chief" immer bessere Noten.

Was passiert nach dem Abzug?

Gegen den Irak-Krieg war Obama von Anfang an, so dürfte die bevorstehende Heimführung der letzten Truppen für ihn auch eine persönliche Genugtuung bedeuten. Aber das zeigte er bei seinem Auftritt am Freitag nicht. Zum einen war der Preis der Irak-Invasion viel zu hoch, um Triumphgefühle zu erlauben: mehr als 4400 getötete US-Soldaten, mindestens 9500 tote irakische Sicherheitskräfte, mehr als 110.000 irakische Zivilisten, die ihr Leben verloren - und eine Billion Dollar an Kriegsausgaben, die den USA nun bitter im eigenen Land fehlen. So sagte der Präsident denn auch: "Der Dezember wird eine Zeit sein, über all das nachzudenken, was wir in diesem Krieg durchgemacht machen."

Und wahrscheinlich auch darüber, was noch alles kommen könnte. "Es stehen noch einige schwere Tage bevor", räumte er realistisch mit Blick auf die immer noch instabile Lage im Irak ein. Allein im vergangenen Jahr töteten Extremisten im Land 3000 Zivilisten, Selbstmordattentate und Autobombenanschläge gehören praktisch weiter zum Alltag. Und der völlige Truppenabzug könnte Sicherheitsprobleme für die nach wie vor in weiten Teilen religiös und ethnisch zerrissene Regierung in Bagdad bringen, warnte etwa die "Washington Post" am Freitag. Ein neuer Ausbruch von Gewalt nach dem Abzug der Amerikaner könne Obama Kritik vor allem konservativer Kreise eintragen - den Vorwurf, den Irak nach all den Opfern am Ende doch vorzeitig verlassen zu haben.

Kriegsende mindert die Staatsschulden

Auf der anderen Seite kann Obama den kriegsmüden Amerikanern jetzt sagen, dass er sein Versprechen eingehalten hat, die Truppen heimzubringen. Und mehr noch: "Das Kriegsende im Irak spiegelt einen weiter gefassten Übergang wider", sagte der Präsident. "Die Kriegswelle zieht sich zurück." Nun könne man sich ganz auf den Truppenabzug in Afghanistan konzentrieren.

Und die Kriegskosten herunterfahren. Die Einsätze im Irak und in Afghanistan haben erheblich zur riesigen Staatsverschuldung der USA beigetragen. Nötige Investitionen im eigenen Land blieben auf der Strecke. Allein durch ein Ende der beiden Kriege, so die Regierung, soll die Schuldenlast nun im kommenden Jahrzehnt um mehr als eine Billion Dollar verringert werden. Experten halten es dennoch für zweifelhaft, dass Obama am Ende bei der Wahl 2012 aus seinen sicherheits- und außenpolitischen Erfolgen Kapital schlagen kann. Umfragen haben gezeigt, dass für die meisten Amerikaner diese Themen ganz unten auf der Prioritätenliste stehen.

dpa